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6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM
KULTURELLEN KALTEN KRIEG
1971, zum 10-jährigen Jubiläum der Österreichischen Gesellschaft für Literatur,
reihte sich unter die Gratulanten auch Hans Weigel mit der Bemerkung: „Die
Gesellschaft ist auf erfreuliche Weise un-einseitig, sie kennt keine Richtungen,
sie kennt nur Dichtungen. Sie tut und leistet vielerei“.1 Der ideologisch keines-
wegs unbescholtene Hans Weigel – es sei hier etwa an seinen gemeinsam mit
Friedrich Torberg initiierten, ideologisch motivierten Boykott der Stücke Ber-
tolt Brechts auf österreichischen Bühnen der 1950er/60er Jahre und seine Ver-
bindungen zum „Kongress für kulturelle Freiheit“ erinnert2 – deutete mit „Rich-
tungen“ auch einen bestimmten politischen Hintergrund an, an dem die ÖGL
und Wolfgang Kraus – wie in der Folge zu zeigen sein wird – während des kul-
turellen Kalten Krieges in den 1960er Jahren, aktiv partizipierten.
Zunächst sei ein kulturhistorischer Blick auf die Ära des Kalten Krieges gewor-
fen, ergänzt durch einen Überblick die Zusammenhänge von Literatur und Kal-
tem Krieg in Österreich betreffend. In der Folge soll die Tätigkeit von Wolfgang
Kraus und der ÖGL innerhalb des Netzwerkes, das der „Kongress für kulturelle
Freiheit“ in Europa gespannt hatte, beleuchtet werden. Darüber hinaus behan-
delt dieses Kapitel die Partizipation der ÖGL am „Marshall Plan for the Mind“,
des Weiteren werden die Kontakte die Kraus zu jenen dissidenten Intellektuel-
lenkreisen im Osten pflegte, thematisiert, denen er sowohl materielle als auch
kulturelle Hilfe angedeihen ließ.
6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa
Der Kalte Krieg, jene Konfrontation der Supermächte USA und UdSSR, die nach
1945 in eine Systemkonkurrenz traten,3 wird in der neueren Forschung nicht
mehr nur als eine traditionell politisch-militärische Konfrontation zwischen der
1 Hans Weigel: Das Alter der Österreichische Gesellschaft für Literatur wird zweistellig. In: Lite-
ratur und Kritik 6 (1971), H. 6, S. 617 f., hier S. 617.
2 Vgl. Kurt Palm: Vom Boykott zur Anerkennung. Brecht und Österreich. 2. durchges. Aufl.
Wien, München: Löcker 1984; Stefan Maurer: Berufsmässige Antikommunisten sind segens-
reich und unentbehrlich. In: Wolfgang Straub (Hg.): Hans Weigel. Kabarettist, Kritiker, Roman-
cier, Literaturmanager. Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag 2014 (= Archiv der Zeitgenos-
sen: Schriften 2), S. 63–80.
3 Vgl. Bernd Stöver: Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947–1991. München:
C. H. Beck 2007.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437