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Telephone, ein Besucherstrom im P.W., eine Flut von Anfragen und Wünschen,
die an die ‚Adresse für Literatur‘ gerichtet werden, sind nur die äußeren Zeichen
dieses Erfolges, der mit den bisherigen Mitteln kaum noch bewältigt werden
kann.“46
Kraus fand es, wie er in einem Interview zum zehnjährigen Bestehen der ÖGL
zu Protokoll gab, deprimierend, dass er dem Erfolg „Bremsklötze“ anlegen muss-
te und sprach von mehr Möglichkeiten, flexibleren Veranstaltungen sowie einer
besseren Bewerbung derselben, sollten sich die Subventionen erhöhen. Das Kon-
zept, die Veranstaltungen gratis anzubieten, wollte er aber nicht fallen lassen:
„Wir waren Avantgarde mit dem Nulltarif. Sollen wir ihn jetzt, da man sich in
ganz Europa mit seinen Vorteilen auseinandersetzt, wieder über Bord werfen?“47
Wie Peter Landerl recherchiert hat, stiegen die Subventionen durch das Bun-
desministerium zwischen 1980 und 1995 von 1.873.770 auf 3.218.373 Millionen
Schilling, was den Status der ÖGL als zentrale Organisation im literarischen Feld
zementierte.48
3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL
Nach Pierre Bourdieus Theorie des literarischen Feldes besitzt der „Raum der
Stellungnahmen“, also die Äußerungen, die innerhalb des literarischen Feldes
über eben jenes getätigt werden, eine selbständige Logik, die zwar die „Entspre-
chung zwischen dieser oder jener Stellung“ nicht unmittelbar herstellt, aber
„durch die Vermittlung zweier Differenzsysteme, unterschiedlicher Abstände,
unterscheidbarer Stellung[en], [und] wesentlicher Gegensätze“49 offenkundig
wird. Für Bourdieu setzt sich jede thematische oder stilistische Stellungnahme
in Beziehung zu einem „Universum der [...] Stellungnahmen und in Beziehung
zur Problematik als Raum der Möglichkeiten, die sich dort angezeigt oder nahe-
gelegt“50 finden. In Hinsicht auf den oft konstatierten Paradigmenwechsel in den
1960er Jahren sei im Folgenden auf einige Stellungnahmen hinsichtlich der Posi-
tion der ÖGL im literarischen Feld eingegangen, um eine differenzierte Darstel-
lung zu ermöglichen.
46 Ebd.
47 Ebd.
48 Vgl. Peter Landerl: Der Kampf um die Literatur. Literarisches Leben in Österreich seit 1980.
Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag 2005, S. 180.
49 Pierre Bourdieu: Das literarische Feld. In: Louis Pinto, Franz Schultheis (Hg.): Streifzüge durch
das literarische Feld. Konstanz: Univ.-Verl. Konstanz 1997, S. 33–148, hier S. 80.
50 Ders.: Das literarische Feld. Die drei Vorgehensweisen. In: Louis Pinto, Franz Schultheis: (Hg.):
Streifzüge durch das literarische Feld. Konstanz: Univ.-Verl. Konstanz 1997 (= Édition discours
4), S. 33–148, hier S. 74.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
94 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437