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2. „Education for Victory“
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Tatsächlich einigten sich die Alliierten , wie bereits erwähnt , dann erst im April 1945
auf eine erste schriftliche Rahmenrichtlinie für die Besatzungsaufgaben , die unter dem
Kürzel JCS 1067 öffentlich bekannt wurde. Abgesehen von der harten Politik der „3 D’s“
–
Denazification , Demilitarisation , Deindustrialisation – waren darin jedoch so gut wie
keine weiteren Spezifikationen hinsichtlich der intendierten geistigen Reorientierung zu
finden.
Der gesamte anstehende Aufgabenbereich der „Reeducation“ blieb in diesem einzigen ,
zu Kriegsende vorliegenden alliierten Planungsdokument jedoch weitgehend undefiniert.
Die zum Zeitpunkt der deutschen Kapitulation vorliegenden Handbücher für die Mili-
tärverwaltungen in Deutschland und Österreich konnten diese Leerstelle durch die bloß
taxative Auflistung von Entnazifizierungs- und Säuberungsmaßnahmen
– noch dazu ohne
hinreichend klare Instruktionen für konkrete Verantwortlichkeiten in der Durchführung
–
in keiner Weise füllen.
Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment
der US-Armee
– POW-Camps zur Reeducation
Dass die US-Militärs im Bereich der Reeducation-Planungen so wenig Interesse an den Tag
legten , erstaunt umso mehr , als die amerikanische Armee ab 1943 / 44 damit begann , auf dem
Boden der Vereinigten Staaten eine Reihe von Gefangenlagern für „Prisoners of War“ ( POW )
einzurichten. In diesen POW-Camps startete die US-Armee Programme zur Umerziehung
insbesondere der deutschen Kriegsgefangenen und führte
– zum Teil gemeinsam mit den Bri-
ten in sogenannten „Combined Services Detailed Interrogation Center “ ( CSDIC )
– Kriegs-
gefangenenverhöre und Moralanalysen durch.974 Derartige , auf Umerziehung und Verhörpra-
xis ausgerichtete POW-Lager wurden während des Krieges auch von den Briten975 und den
( JSSC ), Joint Production Survey Committee ( JPSC ), Joint Staff Planers ( JPS ), Joint Logistics Commit-
tee ( JLC ), CAD , Office for Occupied Areas / Navy Department ] ; ( 2 ) The Combined Civil Affairs Com-
mittee ( CCAC ); ( 3 ) The Civil Affairs Division ( CAD ); ( 4 ) The United Nations Relief and Rehabilitation
Administration ( UNRRA ); ( 5 ) The Foreign Economic Administration ( FEA ); ( 6 ) The Joint Staff Pla-
ners ; ( 7 ) The Joint Logistics Committee ; ( 8 ) Special Planning Division of the War Department / Special
Staff ; ( 9 ) Chief of Naval Operations.
974 Siehe : Rafael A. Zagovec , „The Mind of the Enemy“. Kriegsgefangenenverhöre und die Moralanalysen
der westalliierten Aufklärung. In : Günter Bischof / Stefan Karner / Barbara Stelzl-Marx ( Hrsg. ), Kriegs-
gefangene des Zweiten Weltkriegs. Gefangennahme
– Lagerleben
– Rückkehr (= Kriegsfolgen-Forschung.
Hrsg. v. Stefan Karner , Bd. 4. ), Wien – München 2005 , 267 f. ; vgl. dazu weiters : Robert D. Billinger , Jr.,
Nazi POWs in the Tar Heel State , Gainsville et al. 2008 ; Arnold Krammer , Nazi Prisoners of War in
America , Chelsea 1991.
975 Obwohl die rund 400. 000 Kriegsgefangenen der Briten in Reeducation-Lagern wie Ascot Park , Wil-
ton Park oder „373 Camp Wolfsberg“ in der Steiermark mit einem durchaus ambitionierten Programm
konfrontiert wurden , war die Teilnahme daran freiwillig – nur eine Minderheit nahm daran teil. Siehe :
Kastner , 373 Camp Wolfsberg. Britische Besatzungslager in Österreich von 1945 bis 1948 , a. a. O. ; wei-
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741