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Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945
Die Autorin , die nach der Publikation ihrer Schrift , von der sich bis 1947 40. 000 Stück
verkauften , fünf Jahre Einreiseverbot in die USA erhielt ,1020 sprach sich höhnisch gegen
US-Umerziehungsmaßnahmen ( „Hula-Hula im Frack“ )1021 aus , und riet zu deutscher
Gelassenheit gegenüber der „verarmten“ amerikanischen Kultur :
„Doch während es uns immer überaus schwer , wenn nicht unmöglich sein wird , in eine Denk-
und Reaktionswelt wie die chinesische einzudringen , weil die andersartigen Ursprünge soweit
zurückliegen [ … ] so sollte es uns heute noch durchaus möglich sein , die neue amerikanische
Denk- und Seelenlandschaft zu erkennen , weil ihre Ursprünge zum Teil aus unserer eigenen
hervorgingen [ … ]. Deswegen sollten wir die Fragebogenwirtschaft nicht mit Empörung ablehnen ,
weil sie auf uns so wenig paßt wie eine Kaffemühle auf Kirschkerne. Wir sollten uns klar machen ,
daß die Amerikaner auf uns nur eine Technik anwenden , die für sie so selbstverständlich ist
wie die tägliche Dusche , und daß diese Technik , statt eine immer neue Quelle von Mißver-
ständnissen zu werden , uns als wertvoller Schlüssel dienen kann , ihre geistige Ausrüstung und
die Art ihrer Gedankenfolgen kennenzulernen.“1022 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung
der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945
Österreich
– ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45
Wie bereits dargestellt , hatten sich die Vereinigten Staaten erst vergleichsweise spät dazu ent-
schlossen , den „Anschluss“ Österreichs offiziell
– quasi nachträglich
– nicht anzuerkennen und
auch die österreichischen Emigrés in den USA nicht mehr als „Deutsche“ zu klassifizieren.
Eine schlüssige und eigenständige Österreich-Politik hatte das aber vorerst nicht zur Folge. In
der allgemeinen Postponement-Politik Roosevelts kamen Erörterungen zur politischen Zu-
kunft Österreichs nach Kriegsende allenfalls als Appendix beziehungsweise als Funktion der
strategischen Deutschland-Planung vor.1023 Das gilt in besonderer Weise für alle Überlegun-
gen zur mentalen Reeducation beziehungsweise Reorientierung , deren primärer Bezugspunkt
die Überwindung respektive Auslöschung der rassenideologischen Indoktrinierung durch das
1020 Heike M. Görtemaker , Einleitung. In : Boveri , Amerikafibel für erwachsene Deutsche , a. a. O., 4 ff.
1021 Boveri parallelisierte hier die Amerikanisierung von Hawaii : „Der Hula-Hula im Frack hat ebensowe-
nig mit dem ursprünglichen Hula-Hula-Tanz zu tun , wie der New Yorker potato-dumpling mit einem
fränkischen Kartoffelkloß. Auch hier wirken ökonomischer Zwang und die ungeheure Suggestionskraft
zusammen , um den Eingeborenen und seine Produkte zu verwandeln.“ Boveri , Amerika-Fibel für er-
wachsene Deutsche , a. a. O., 39.
1022 Boveri , Amerika-Fibel für erwachsene Deutsche , a. a. O., 65.
1023 Vgl. Gerald Stourzh , Geschichte des Staatsvertrages 1945–1955. Österreichs Weg zur Neutralität. 3.
Aufl., Graz – Wien – Köln 1980 , 3.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741