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6. Endphase der Besatzung
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Strategic Intelligence.“2681 Es ist allerdings stark zu bezweifeln , dass Williams auf diese ha-
nebüchene Weise tatsächlich Mittel für eine geheimdienstliche Operation hatte beantra-
gen können : Vielmehr drängt sich die Vermutung auf , dass er einfach mehr auf die Waage
legen wollte , als de facto vorhanden war , um so vielleicht eher finanzielle Unterstützung
für das genannte Projekt zu bekommen.
Durch seine vorherige Tätigkeit als Leiter der „USFA-Education Division“ und als
nunmehr hochdekorierter Gastprofessor am Zoologischen Institut der Universität Wien
offenkundig vollends austrifiziert , meinte Williams , mit barocker Übertreibung und
‚Schmäh‘ – schließlich berief er sich auf zwei USFA-Veteranen , die längst nicht mehr in
Österreich beziehungsweise bereits in Pension ( Keyes ) waren
– gegen über den verantwort-
lichen Autoritäten in Washington D.C. auftreten zu müssen :
“As a guest professor in the University here I have been asked to submit this request which I feel
sure would be indorsed by Generals Clark and Geoffrey Keyes , both of whom are recipients of
Honors here [ sic ]. Certainly the extension of a limited amount of assistance would engender
a lot of goodwill and add much to the morale of this courageous little country which is openly
oriented toward ‘The West’.”2682
‚Phasing out‘
– zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung
Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Entwicklungen der US-Propaganda während
dieser ersten Phase des Kalten Krieges liefen in der „target zone Austria“ unter anderem
auch die Personenaustausch-Programme kontinuierlich weiter , allerdings bald auf verän-
derter administrativer Grundlage. Parallel zum Wechsel der besatzungs politischen Ver-
antwortung vom Verteidigungsministerium ins U.S. Außenminis terium wurde der Abbau
der USFA Education Division eingeleitet. Deren „Liqui
dierung“ sollte ursprünglich durch
allmähliche Reduzierung des Personalstandes bis zum 30. Juni 1950 abgeschlossen sein ,
wurde aber in Form eines raschen „phasing-out“ schon bis zum 31. März 1950 durchgeführt.
Zu diesem Zeitpunkt waren alle Spezialisten sowie alle anderen Mitarbeiter der Education
Division , darunter auch 41 Österreicher , abgezogen. Bis Juni verblieben lediglich Williams
als Divisions-Leiter und ein Assistent , der für die Supervision der Studenten aus tausch-
2681 Samuel H. Williams , to The Chief of Staff U. S. Army , Washington D.C., 5. Februar 1955 , 1. Ich danke
an dieser Stelle Herrn Dr. Klaus Taschwer für die freundliche Zurverfügung stellung einer Kopie des
Schreibens. [ Kopie im Besitz d. Verf. ].
2682 Von 1955 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1964 an der University of Pittsburgh trug Williams wieder -
holt als Gastprofessor an der Universität Wien vor. 1968 starb Williams bei einem Boots un glück im St.
Johns River , Florida. Siehe : Obituary – Pittsburgh Post-Gazette , 26. Februar 1968. Ich danke an dieser
Stelle Herrn David R. Grinnell von der Bibliothek der University of Pittsburgh für die freundliche Zu-
sendung von Informationsmaterial.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741