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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Das Internationale Institut , dessen administrative Leitung bei Prorektor Richard Meis-
ter lag – dabei unterstützt vom Leiter des Amerika-Institutes , Paul Dengler –, beteilig-
te sich auch an den Vorbereitungen für die Einrichtung der von der USFA finanzierten
Unit-School für amerikanische College-Studierende ( USFA I and II Command School
of University of Vienna ).1829 Wie Rektor Adamovich berichtete , habe das Internationale
Institut neben der Verteilung der „hochherzigen Spenden von medizinischen Büchern ,
Reißzeugen , Rechenstäben und Schreibmaterial [ … ] durch die ‚Schwedenhilfe‘ “1830 auch
an der Berufung von Gastprofessoren und an der Durchführung ihrer Lehrveranstaltun-
gen beratenden und helfenden Anteil genommen. Unter den vornehmlich amerikanischen
und britischen Gastprofessoren , die meistens in englischer Sprache vortrugen , finden sich
allerdings , wie kaum anders zu erwarten , keine Remigrés.
Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der
Studentenschaft an Österreichs Universitäten
In der Verordnung des Staatsamtes für Volksaufklärung , Unterricht , Erziehung und
Kultusangelegenheiten über die „allgemeine Studienordnung für die wissen
schaftlichen
Hochschulen“ vom 3. September 1945 wurde auf die Entnazifizierung der Studierenden mit
keinem Wort eingegangen.1831 Hingegen wurde bereits im April 1946 per Erlass
– als „Wie-
dergutmachung der begangenen Verletzung des Volks
gefühls“ – die Wieder -Anbringung
der Kreuze in den Schulen geregelt.1832
Bis Ende 1946 lag die Entnazifizierung der Studierenden de facto ausschließlich bei den
Uni versi täten beziehungsweise bei den sich ab Mai 1945 analog zu den politischen Par-
teien konstituieren den Studentenorganisationen1833 und dem sich daraus ent wickelnden
1829 In der anglo-amerikanischen Sektion trug beispielsweise Paul Dengler über das „Antlitz ameri kani scher
Städte ( New York , San Francisco , Chicago , New Orleans )“ vor , Augusta Bronner über „Moderne ame-
rikanische Literatur“, Richard Meister hielt einen Vortrag zur „Vergleichen den Darstellung des amerika-
nischen , englischen , französischen und österreichischen Bildungs systems“; in der französischen Sektion
trug neben Eduard Castle und Rektor Sölch , Chef redakteur Robert Aron über „Elements d‘un renou-
veau spiritual français“ vor ; in der russischen Sektion referierte Frau Elise Riesel , Professorin an der
Universität Moskau , über „Das sowjetische Hochschulwesen“, ebd., 50.
1830 Ebd., 52.
1831 Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht , Jg. 1946 , Wien am
1. Februar 1946 , 1. / 2. Stück , 1.
1832 Erlass vom 8. April 1946 , Z. 6048 / III–6. Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundes mini-
steriums für Unterricht , Jg. 1946 , Wien am 1. März 1946 , 3. Stück , 97.
1833 Dies waren die aus dem „Strobl“-Kreis hervorgegangene und bereits im Mai von Minister Hurdes als of-
fizielle Vertretung der ÖVP anerkannte „Freie Österreichi schen Studentenschaft“ ( FÖST ), der Verband
Sozialistischer Studenten ( Josef Schneeweiß , Otto Hoffmann-Ostenhof , Peter Rubel ) und der kom-
munistischen Studenten bund ( Peter Feldl ). Christine H. Forster , Die Geschichte der Öster reichischen
Hochschülerschaft 1945–1955 (= Dissertationen der Universität Wien 166 ), Wien 1984 , 15 ff.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741