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Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger
Schuberts Tänze – fast durchweg für Klavier geschrieben – hatten ihren festen Platz in der Hausmusik
des Biedermeiers. Sie nehmen den volkstümlichen Ton seiner Zeit auf, weisen nur bedingt auf die spätere
Entwicklung vom Menuett über den Ländler zum Walzer hin, sind formal einfach gehalten.
Lanner mochte Werke der genannten GroĂźmeister der Wiener Klassik gekannt haben, seine Wurzeln
hingegen hat er bei jenen Tanzkomponisten gefunden, die tagtäglich in Gasthäusern, aber auch in vor-
nehmerem Rahmen zum Tanz aufspielten. Sein Instrument war die Geige (ob er jemals Klavier gespielt
hat, ist nicht bekannt), daher lagen ihm die für kleinere Ensembles geschriebenen Tänze näher als die
hauptsächlich für Klavier veröffentlichten Werke seiner renommierten Kollegen. Sein Platz waren Tanz-
säle und Kirtage, Wirtshauspodium und Freiluftpavillon.
Vorläufer
Nach dem Wiener Kongress explodierte nicht nur die Anzahl an Vergnügungsstätten, in denen Bälle,
Abendunterhaltungen und Reunionen abgehalten wurde, fĂĽr diese Lokale galt es auch, einzelne Musiker,
kleinere Ensembles oder ganze Kapellen zu engagieren, welche die Ballmusik ĂĽbernahmen oder durch klei-
ne Konzerte die Gäste während des Essens unterhielten. Die Zeitungen sind voll mit Namen von Tanzmusi-
kern und Sälen, in denen diese auftraten, leider gibt es über die wenigsten detaillierte Berichte. Die meisten
der Kompositionen sind verschollen und nur von einigen wenigen sind mehr als die Titel ĂĽberliefert.
Einer der bekanntesten Tanzkomponisten in Lanners Jugendjahren war Franz Martin Pechatschek (gebo-
ren 1763 in Böhmen unter dem Namen Pechácek). 1783 nach Wien gekommen, begann er eine umfangrei-
che Tätigkeit als Komponist und Tanzmusiker, seine „12 Dutzend Solo-Walzer“ von 1803/04 wurden Vor-
bild für eine ganze Generation an Komponisten. Unter den wichtigsten Lokalen, in denen er tätig war, ist
der Stadthaussaal „Zur Mehlgrube“ zu nennen, wo er als Musikdirektor fungierte. Er starb 1816 in Wien.
Nachfolger Pechatscheks wurde 1808 der 1778 in Wien geborene Joseph Wilde, er leitete lange Jahre auch
die Bälle im kleinen Redoutensaal.
Ein weiterer bedeutender Tanzmusiker der Zeit unmittelbar nach dem Wiener Kongress war Joseph Fais-
tenberger, sein Sohn Johann betätigte sich gleichfalls in diesem Geschäft. Johann Faistenberger war Lanner
freundschaftlich verbunden, sein Oeuvre umfasst mehr als 200 Walzer und andere Tanzkompositionen.
Zeitgleich mit Lanner musizierten die BrĂĽder Drahanek in Wien (1822 bildete Lanner ein Trio mit ihnen,
welches allerdings nicht lange bestand). Die Familie Scholl brachte mehrere Musiker hervor, welche so-
wohl solistisch tätig waren als auch als Kapellmeister bei den „Hoch- und Deutschmeistern“.
Der wichtigste Tanzkomponist und Geiger unmittelbar vor Lanner war Michael Pamer (1782–1827). Er
spielt im „Sperl“ in der Leopoldstadt, im „Weißen Schwan“ in der Roßau, später in der „Goldenen Birn“
und im Hotel „Zur Kaiserin von Österreich“. Seine Werke erschienen bei Berman ebenso wie bei Diabel-
li, 1824 wurden Walzer, Cotillons und „echt steyerische Ländler“ angekündigt55.
Lanner spielte – laut seinem ersten Biographen Lange – in Pamers Kapelle und übernahm nach dessen
Rücktritt Teile seines Orchesters. Allerdings gibt es für diese Darstellung, die in den meisten späteren
Biographien ĂĽbernommen wurde, keine Belege56.
Die Grenzen zwischen Komponisten ernster und heiterer Musik – um Begriffe aus dem heutigen Unter-
scheidungsrepertoire zu verwenden, Begriffe, die einem Komponisten des beginnenden 19. Jahrhunderts
wohl seltsam angemutet hätten – verliefen fließend. Die bedeutendsten Komponisten dieser Zeit (heute
55 „Wiener Zeitung“, 10. 2. 1824.
56 Eine ausfĂĽhrliche Darstellung findet sich in Herbert Krenn, Lenz-BlĂĽthen, Wien 1994.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang