Seite - 41 - in Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Bild der Seite - 41 -
Text der Seite - 41 -
41
Solisten â Ensemble â Kapelle â Orchester
Auf Tourneen war Johann StrauĂ Vater mit Lob ĂŒberschĂŒttet worden, eine Anerkennung, die in mindes-
tens dem gleichen MaĂe seinen Musikern zukam wie ihrem gestrengen AnfĂŒhrer. Nach seiner groĂen Reise
nach London und Paris war StrauĂ als Orchestererzieher unangefochten, wie ein Bericht in der Theaterzei-
tung zeigt: âEs lĂ€sst sich aber nicht leicht etwas Exacteres und energischer Ineinandergreifendes denken, als
dieses Orchester, welches mit Leib und Seele einem Zwecke hinstrebend, unter dem Winke seines genialen
Dictators ein einziger Körper zu seyn scheint, und ich zweifle sehr, ob viele Musikkörper existiren, welche
die schwierigsten MusikstĂŒcke, die delicatesten Compositionen, mit so schöner Nuancirung, mit solchem
Licht und Schatten, so ganz im Geiste des Compositeurs, auszufĂŒhren im Stande sind, wie dieses Tanzmu-
sik-Orchester, welches in Paris und London zur Mitwirkung bei den berĂŒhmtesten Concerten verwendet
wurde. Hierher kommt, ihr strengen Rigoristen, ihr Musikenthusiasten in Folio, die ihr schreit: der Sinn
fĂŒr wahre Musik sey in Wien gĂ€nzlich erstorben, habe einem lautern Walzerdideldum Platz gemacht, die
ganze Geschmacksrichtung sey verderbt, und die einzige und alleinige Schuld komme auf unsere Walzer-
Reunionen, hierher kommt, sage ich, und hört Lindpaintners OuvertĂŒren zum âVampyrâ, zur âGenueserinâ,
zu Mayerbeers [sic!] Finale der âGhibellinenâ mit solchem Feuer, mit solcher PrĂ€cision ausfĂŒhren, hört sie
in einem Gasthauslocale mit allgemeinem Beifalle aufgenommen, mit noch gröĂerem Beifalle wiederholt;
und dann sagt, dass der Geschmack fĂŒr echte Musik erstorben sey!â137 Diese Eloge scheint umso berechtig-
ter, als das StrauĂsche ebenso wie das Lannersche Orchester ein reines Privatunternehmen war, das sich auf
dem freien Markt zu behaupten hatte und dabei die spÀrlichen professionellen Ensembles weit hinter sich
lieĂ: âDurch die grĂŒndliche Reform seines Orchesters hat sich StrauĂ ein neues Verdienst um die Erheite-
rungen der Residenz erworben. Er exequirt jetzt mit seinem trefflichen Personale nicht blos seine eigenen
Compositionen, sondern auch fremde sehr schwierige OrchesterstĂŒcke mit solcher Reinheit, PrĂ€cision
und Vollendung, wie man sie bei einem anderen Privatunternehmen dieser Art gewiĂ nicht wieder finden
wird.â138 Zuweilen griff StrauĂ zu hoch, was ihm eine milde RĂŒge einbrachte, als er am 28. Mai 1841 neben
den OuvertĂŒren von Aubers âFeenseeâ und Donizettis âLa Favoritaâ sogar Beethovens 5. Sinfonie in c-
Moll auffĂŒhrte. âSo löblich dieses BemĂŒhen StrauĂâs ist, dem gebildeten Publikum, das den Volksgarten an
solchen Abenden, wo er spielt, zu huldigen, so prÀcis und vollendet die Executirung durch sein Orchester
immerhin ist: die Aufnahme dieser TonstĂŒcke lieferte den Beweis, man wolle sich im Freien lieber mit der
heiteren Walzermusik befreunden. Möge dieser Wink zur Beachtung dienen, ohne dass damit gesagt seyn
soll, das StrauĂâsche Orchester könne gröĂere Compositionen nicht auffĂŒhren; hat man doch im Gegen-
theile den Beweis, dass sein trefflich organisirtes und eingeĂŒbtes Musikcorps manches gröĂere Orchester
schon zu Schanden gemacht hat.â139 Nicht eine mangelhafte Interpretation wird also gerĂŒgt, lediglich das
Unpassende, eine solche Sinfonie im ungewohnten Rahmen zu bringen, wurde bemÀngelt. Sein Sohn Josef
wird es sein, der Jahrzehnte spĂ€ter die Wiener sogar mit Wagners Musik vertraut machen wĂŒrde.
UngezĂ€hlt sind die einschlĂ€gigen Zeitungsartikel, welche das Lannersche Orchester lobten. âEs ist eine Lust,
wie diese Leutchen so unverdrossen und exakt zusammen spielen â o möchten sich doch andere hieĂige
Musiker ein Vorbild daran nehmen!â140 Beide Dirigenten arbeiteten ernsthaft mit ihren Ensembles, ĂŒber
das bloĂe Zusammenspiel hinaus wurde der Orchesterklang gerĂŒhmt. Wer achselzuckend das âmindereâ
Repertoire ins Treffen fĂŒhren will, sei daran erinnert, dass Lanner und StrauĂ höchst anspruchsvolle Lite-
ratur im GepĂ€ck hatten: OuvertĂŒren von Rossini und Beethoven zĂ€hlten ebenso zu ihren Standardwerken
wie die diffizilsten Passagen in den Opernpotpourris. Und wer immer versucht hat, einen Lannerschen oder
StrauĂschen Walzer nicht einfach herunterzuspielen, sondern ihm mit aller Raffinesse gerecht zu werden,
der weiĂ, welch hartes StĂŒck Arbeit dahinter steckt. Zieht man in Betracht, dass Lanner tĂ€glich Konzerte
gab und bei Ballveranstaltungen stundenlang, bis in die frĂŒhen Morgenstunden aufspielte, dann bleibt das
ungelöste RĂ€tsel, wann eigentlich noch Zeit fĂŒr die Einstudierungen geblieben sein kann. Mozarts Ouver-
tĂŒre zu âDon Giovanniâ wurde den Musikern noch tintennass aufs Pult gelegt und ohne Probe zur Urauf-
fĂŒhrung gebracht, Beethovens Sinfonien unter des Komponisten kaum souverĂ€ner Leitung mit einer halben
Durchspielprobe der Ăffentlichkeit vorgestellt â trotz der mangelhaften AusfĂŒhrung erahnte das Publikum
137 Theaterzeitung 8. 5. 1839.
138 Theaterzeitung 27. 6. 1839.
139 Der Wanderer 2. 6. 1841.
140 Bericht ĂŒber Konzerte Lanners im Theater in Baden, Theaterzeitung 6. 8. 1832.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn â Werden â Sein 21
- VorlĂ€ufer â MitlĂ€ufer â Nachfolger 23
- Tanz 28
- BĂ€lle â TanzstĂ€tten â AuffĂŒhrungsorte 32
- Solisten â Ensemble â Kapelle â Orchester 39
- Akademie â AssemblĂ©e â Conversation â Piquenique â RĂ©union 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- WidmungstrÀger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen â Bibliotheken â Sammlungen 101
- FunktionalitĂ€t â Autonomie â Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik â Biedermeier 108
- Strahlender Stern â leuchtender Stern 112
- Rezension â Rezeption 113
- FlĂŒchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang