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Werke
beitete152. Eine allgemein gĂĽltige These sollte man aus diesen Arbeitsprozessen nicht entwickeln, ob die
Bearbeitung bzw. Orchestrierung fremder Werke als Schule fĂĽrs eigene Schaffen taugt, ist fĂĽr jeden Kom-
ponisten individuell zu beurteilen. Abgesehen von den äußerst unsicheren Datierungen wissen wir zudem
zu wenig über Anlässe der Kompositionen und deren Aufführungen.
Bearbeitungen ziehen sich durch das ganze Schaffen Lanners. Die Verwertung populärer Melodien aus
den Novitäten der Operntheater konnte in vielerlei Form erfolgen: der Komponist reihte sie mehr oder
weniger unbearbeitet in Potpourris aneinander (siehe das eigene Kapitel), formte sie zu Tänzen um (schon
Mozart belustigte sich über diese in Prag gängige Praxis) oder verfertigte eigene Piecen, die als wirkungs-
volle Nummern Abwechslung in die Konzertprogramme brachten.
Rossini zählte (sehr zum Missfallen Beethovens) zu den Abgöttern des Wiener Opernpublikums, zu Lan-
ners allerfrühesten Werken gehört eine „Introduktion und Aria aus Barbier von Sevilla“ in der Besetzung
Streichquartett und Gitarre, die als Autograph vorliegt. Rossinis „Barbier“ war 1819 erstmals in Wien
gezeigt worden, 1823 wurde sie erneut am Kärntnertortheater gegeben. Weitere Rossini- und Mercadante-
bearbeitungen stehen neben Einrichtungen von Ouvertüren von Weber („Oberon“) und Lindpaint-
ner („Der Vampyr“). Für die Besetzung Streichquintett, Flöte und Klarinette schrieb Lanner mehrere
„Contre dances“ und „Francaises“. Druckausgaben wurden keine erstellt.
An weiteren Einrichtungen seien genannt: Ouvertüre und zwei Märsche aus „Zampa“ von Herold (Wien
1832), Arie aus „Elisa und Claudio“ von Mercadante, Marsch und Finale aus der Oper „Robert der Teufel“
von Meyerbeer, Marsch über die Arie „Ein Schütz bin ich“ aus der Oper „Das Nachtlager von Granada“
von Kreutzer, Rezitativ und Duett aus „Der Liebestrank“ von Donizetti, drei Nummern aus „Beatrice di
Tenda“ von Bellini, abermals Bellini mit einem Duett aus „Die Puritaner“, eine Kavatine aus „Belisar“
von Donizetti, die Ouvertüre zu „Die Belagerung von Corinth“ von Rossini, ein Marsch aus dem Ballett
„Corso Donato“ von Ricci.
Erst relativ spät edierten Lanners Verleger seine Bearbeitungen. 1832 verwendete Lanner Melodien aus
Bellinis „La Straniera“ (Wiener Erstaufführung am 24. November 1831) für sein op. 57 „Bekannte Töne
der Unbekannten“ (Wortspiele dieser Art finden wir häufig, ob sie auf Lanner selbst zurückgehen oder
dem Erfindungsreichtum seines geschäftstüchtigen Verlegers zu danken sind, lässt sich nicht eruieren).
Abermals Bellini („I Capuleti e i Montecchi“, Wien 1832) verarbeitete Lanner in seinen Cotillons op. 72.
Der Cotillon als Form eignete sich fĂĽr diese Art der Arrangements am besten (siehe das entsprechende
Kapitel). Bellinis bis heute berühmteste Oper „Norma“ (Wiener Erstaufführung am 11. Mai 1833) stand
Pate fĂĽr einen Marsch und einen Galopp (op. 75).
Rätsel gibt ein Bericht des „Wanderers“153 über eine Reunion im November 1834 in Pesth anlässlich
Lanners Gastspiels auf. Neben seinen Walzern fĂĽhrte er eine Reihe von OuvertĂĽren zu heute vergessenen
Opern auf: „Der Schwur“, „Der Zweikampf“, „Chiara di Rosenberg“ stehen neben den bekannten wie
„Beatrice di Tenda“ und „Norma“. Wie weit Lanner eigenes Material verwendete oder auf Arrangements
von Kollegen zurückgreifen konnte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
1837 sind es Melodien aus Meyerbeers „Hugenotten“ (in Wien erst 1839 unter dem Titel „Die Welfen und
die Ghibellinen“ aufgeführt, Teile daraus kursierten davor in verschiedenen Ausgaben), die Lanner in
einem „Panorama der beliebtesten Galoppe“ op. 114 arrangierte.
Weitgehend unerforscht sind die Vorlagen, die Lanner für seine Bearbeitungen benutzte. Opernnovitä-
ten wurden – kaum waren sie erstmals in Wien auf die Bühne gebracht – in Klavierauszügen gedruckt,
152 Norbert Linke, Es musste einem was einfallen, S. 54ff.
153 Der Wanderer, 20. 11. 1834.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang