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Werke
Einen ersten Höhepunkt markierte der Carneval 1840, in dem sich die Quadrille einen bleibenden Platz
eroberte. âEine groĂe, gewaltige Reaction wird sich heuer in der Tanzwelt begeben, ein entscheidender
Kampf der Galop gegen die französische Quadrille! Ohne Zweifel wird jedoch letztere siegen, denn sie
zÀhlt ein starkes Heer AnhÀnger und Verehrer. Der gegenwÀrtige Carneval wird diesem lieblichen Conver-
sationstanze allgemeinen Eingang verschaffen und dadurch jenen edeln freien Anstand restituieren, den
die Despotie der Walzerherrschaft im Faschingsreiche verbannte. Das graciöse Schweben des Tanzes, die
harmonischen Pas, die anmuthigen Verschlingungen der Figuren sind unwiderstehliche Reize, welche
Form, Gehalt und Bewegung der Tanzenden weit vortheilhafter und Àsthetischer ans Licht treten lassen,
als das einförmige Drehen im Walzer. Wer von BĂ€llen nicht gĂ€nzlich unvergnĂŒgt scheiden will, lerne den
schönen lockenden Quadrillemelodien folgen, denn das Losungswort unserer herrlichsten BÀlle wird
lauten: vive la Quadrille!â171 Als Tanzmeister, welche als Spezialisten fĂŒr die Quadrille galten, werden
BrĂ©tel (k.k. Hofballarrangeur und Lehrer von Wiens Adel) sowie sein SchĂŒler Hlasko neben Rabenstei-
ner genannt. Wurden BĂ€lle frĂŒher ganz allgemein angekĂŒndigt, allenfalls NovitĂ€ten angepriesen, wird
nunmehr auf die Quadrille eigens hingewiesen. Die Quadrille lÀuft dem Walzer fast den Rang ab, steht
gleichberechtigt neben ihm. âEin Fest fĂŒr QuadrilletĂ€nzer und TĂ€nzerinnenâ172 wird fĂŒr den 31. Januar
1840 im âSperlâ âunter dem Namen âComitĂ©ballââ angekĂŒndigt, weiters heiĂt es: âin der Tanzordnung
sind nicht weniger als sechs ContratĂ€nze mit Walzern abwechselnd angesetzt.â173 Mit âContratĂ€nzeâ sind
hier Quadrillen gemeint. In der gleichen Ausgabe, nur eine Spalte weiter, wird erneut eine Lanze fĂŒr die
Quadrille gebrochen: âNein, meine schönen Galopantinnen, nein, meine rasenden Rolande! Es ist der
Wunsch aller vernĂŒnftigen Anverwandten, endlich einmal diesem lungenzermalmenden Sturme Einhalt
zu thun. Lanner schreibt Quadrilles, StrauĂ schreibt Quadrilles, Fahrbach instrumentierte bereits im
vorjĂ€hrigen Carneval eine Francaise von Musard.â Eine gelungene Quadrille konnte zum heimlichen
Höhepunkt eines Ballfestes werden, viele Paare beteiligten sich an den Touren. So beschreibt die Zeitung
Der Wanderer am 3. 2. 1840 einen Ball unter der musikalischen Leitung von Johann StrauĂ Vater, wo
nicht weniger als 48 TĂ€nzerpaare, geleitet von Rabensteiner, die Quadrille ausfĂŒhrten.
Es wĂ€re nicht Wien, wĂŒrden der vornehme französische Tanz und seine fĂŒr Wiener Ohren nur schwer
verstÀndlichen Titel (man denke an die Anweisungen der Tanzmeister, welche diese TÀnze zu ordnen
und zu leiten hatten!) nicht Zielscheibe gutmĂŒtigen Spottes werden. In der Zeitung âDer Wandererâ
vom 23. 2. 1843 wird eine Quadrille mit allen dazugehörigen Touren verballhornt, die französischen Aus-
drĂŒcke in den wienerischen Dialekt âĂŒbersetztâ. Die Quadrille wird Symptom fĂŒr die Bestrebungen der
unteren StĂ€nde nach âHöheremâ, die Sehnsucht der oben Zitierten nach dem einfachen Walzer lag auch
im Unbehagen begrĂŒndet, sich bei den komplizierten Figuren einer Quadrille heftig zu blamieren (und
auch zu langweilen). Wer je das Chaos einer Mitternachtsquadrille auf einem durchschnittlichen Wiener
Privatball erlebt hat, kann sich die Szenen von einst lebhaft vorstellen.
Die Quadrille erfuhr im Lauf der Zeit Weiterentwicklungen, komplizierte Touren wurden erfunden, die
ihre eigenen Namen erhielten. Nicht immer lÀsst sich aus den Zeitungsberichten rekonstruieren, was genau
gemeint ist. Die beliebteste Quadrille war die Quadrille francaise (sechs Touren), ab 1840 wird eine neue
Tour, genannt âLanceâ, getanzt, die ihren Ursprung in England hat und ihren Namen der Form verdankt:
die Tanzpaare bilden eine âLanzeâ. âDie âLanceâ ist eigentlich ein kleines Ballett kriegerischen Charakters,
das in seiner Hauptfigur eine Lanze formirt.â174 Nicht eindeutig geklĂ€rt ist, ob mit âLanceâ nicht auch die
komplette âLancierâ gemeint ist, also eine aus fĂŒnf Touren bestehende Quadrille, welche von vier Paaren im
Karree getanzt wurde. Auf eine solche dĂŒrfte etwa der Bericht im âWandererâ vom 14. 2. 1840 ĂŒber einen
Ball am 11. in der âgoldenen Birnâ hindeuten. Am 8. 1. 1842 kĂŒndigt der âWandererâ ein von Rabel veran-
staltetes âLance-Festâ am 10. an, bei welchem die âQuadrille âLanceâ, welche Rabel vor zwei Jahren einzufĂŒh-
171 Theaterzeitung 13. 1. 1840 (gekĂŒrzt).
172 Theaterzeitung 18. 1. 1840, sowie alle weiteren Zitate.
173 Der Wanderer vom 21. 1. 1840 listet alle TĂ€nze auf: eröffnet wurde mit einer Polonaise, es folgten abwechselnd âValseâ
(manche mit Galopp) und âQuadrilleâ. Der erste Teil wurde mit einem Cotillon abgeschlossen, es folgte die âHeure du
reposâ. Der zweite Teil gestaltete sich wie der erste mit abwechselnd Walzern und Quadrillen.
174 Theaterzeitung 18. 1. 1840.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn â Werden â Sein 21
- VorlĂ€ufer â MitlĂ€ufer â Nachfolger 23
- Tanz 28
- BĂ€lle â TanzstĂ€tten â AuffĂŒhrungsorte 32
- Solisten â Ensemble â Kapelle â Orchester 39
- Akademie â AssemblĂ©e â Conversation â Piquenique â RĂ©union 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- WidmungstrÀger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen â Bibliotheken â Sammlungen 101
- FunktionalitĂ€t â Autonomie â Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik â Biedermeier 108
- Strahlender Stern â leuchtender Stern 112
- Rezension â Rezeption 113
- FlĂŒchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang