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Werke
Einen bemerkenswerten Wandel in Publikumsschicht und –geschmack scheint es um 1840 oder 1841 gege-
ben haben: immer lauter wurden die Stimmen nicht nur gegen die wilden Walzer und Galoppe, sondern
das wenig vornehme Publikum selbst wurde Ziel harscher Kritik. „Diese bösen Walzer und Galoppaden
haben die elegante Welt durch ihr wildes Feuer … getäuscht.“176 stellte der Der Wanderer fest. Und
befriedigt konstatierte er die Rückkehr des Menuetts177, verbunden mit der Hoffnung, auch die höheren
Gesellschaftsschichten mögen wieder den Zugang zu jenen volkstümlichen Tanzveranstaltungen finden,
die sie jahrelang so gerne besucht und in den letzten Jahren zunehmend gemieden hatten. Es nĂĽtzte
nichts: das Menuett als Gesellschaftstanz fĂĽr alle war unwiderruflich Vergangenheit.
Ecossaise
Der Ecossaise war ein ähnliches Schicksal beschieden wie dem Menuett: beliebt und um 1830 bereits
vergessen. Beethoven schrieb Ecossaisen, in der Tanzmusik Lanners und Strauß’ kam dieser Tanz nicht
mehr vor. Hin und wieder taucht der Name in Berichten ĂĽber Ballveranstaltungen auf, allerdings ohne
Nennung eines Komponisten. Wie beim Menuett dĂĽrften ambitionierte Tanzmeister hin und wieder
eine Ecossaise mit ins Programm genommen haben, allenfalls auf Hausbällen wurden Ecossaisen noch
gepflegt.
Mazur – Mazurka
Wien als Hauptstadt eines Vielvölkerreiches versammelte Angehöriger vieler Nationen in seinen Mauern.
Sie brachten ihre eigenen Tänze mit, diese verschmolzen mit lokalen Traditionen, bildeten wieder etwas
Neues.
Ein augenfälliges Beispiel für diese mannigfaltigen Wandlungen ist die Mazur. Ursprünglich ein polni-
scher Volkstanz aus Masowien im schnellen 3/8- oder 3/4-Takt, wurde sie um 1600 zu einem Gesellschafts-
und zugleich Nationaltanz. In gemäßigt stilisierter Form wurde sie im 19. Jahrhundert zur Mazurka.
Aufgrund des gleichen Taktes trat sie in wechselseitige Beziehungen zum Ländler. Die später vor allem
von Johann StrauĂź Sohn und seinem Bruder Josef gepflegte Polka Mazur (oder Polka Mazurka) stellt eine
Mischform dar, die im langsamen Tempo getanzt wird.
In Lanners Schaffen tritt die Mazur oder Mazurka nur vereinzelt auf. 1831 schrieb Lanner eine Baron
Carl Prandau gewidmete Mazur op. 54, in Kombination mit einer „Polones“ [sic!], ein Jahr später die
„Lemberger Mazur“ op. 60, die am 3. 7. 1832 in einer Reunion im Gasthaus „Zum weißen Engel“ erst-
aufgeführt wurde. 1833 wurde Lanners Mazur „Nordklänge“ op. 66 im Volksgarten uraufgeführt, am
14.Â
August des gleichen Jahres hob Lanner „Der Uhlane“ op. 76 (mit dem Untertitel Le Lancier) bei einer
Ballgesellschaft in Döbling aus der Taufe, 1834 folgte die „Sehnsuchts-Mazur“ op. 89 (fis-Moll). Erst 1840
wandte Lanner sich erneut dieser Form zu, in einer BallankĂĽndigung vom 11. 2. 1840 fĂĽr den am gleichen
Tag stattfindenden Gesellschaftsball im Hotel zur „Goldenen Birn“ findet sich der Hinweis, Lanner werde
„die neuesten Quadrilles francaises, nebst der Lance, und National-Masurs, die Ehre haben vorzutragen.“178
Möglicherweise handelte es sich dabei um die Vier Mazuren op. 144, die bei Mechetti am 4. 1. 1840 im
Druck erschienen. Mit den Mazuren „Der Tanz um die Braut“ op. 178, deren Autograph (datiert 11. Februar
1841) sich erhalten hat, schlieĂźt die Reihe der mit Opusnummern versehenen Mazuren Lanners. Im von
Haslinger herausgegebenen Nachlass findet sich ein Band mit Mazuren, Eduard Kremser veröffentlichte 1913
zwei Mazuren Lanners in einer Klavierfassung, angeblich nach einer Partitur datiert mit 15. 1. 1842.
176 Der Wanderer 19. 2. 1841.
177 In der Theaterzeitung vom 1. 2. 1842 wird ein vom Tanzlehrer Sedini im Salon „Zur goldenen Sonne“ veranstalteter
„Menuetten-Ball“ für den 7. Februar angekündigt: „Es wird zwar nicht allein der [sic] Menuett getanzt … wird nur eine
sehr gewählte Gesellschaft sich hier einfinden“.
178 „Wiener Zeitung“ 11. 2. 1840.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang