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Joseph Lanner – Leben und Werk
e) Akzente: Lanner setzt als Akzent das Zeichen ^ unter die Note (entspricht in etwa unserem moder-
nen Akzent >), häufig aber auch „langer“ Akzent, der wie eine dim.-Gabel aussieht (manchmal sogar
dim.-Gabel und auf der Note fz oder fs). Es ist eine ähnliche Problematik wie bei Schubert, dessen
„lange Akzente“ in modernen Druckausgaben nicht mehr wiedergegeben wird (siehe auch Beethoven
Violinkonzert 1. Satz Takt 113). Paul Angerer hat für die von ihm betreute Ausgabe der „Denkmäler der
Tonkunst“ versucht, diese Akzente originalgetreu im Druck wiederzugeben; es wäre wert, auch in den
computerunterstĂĽtzten Herstellungsprozessen auf einer die Intentionen des Komponisten authentisch
wiedergebenden Notierungspraxis zu bestehen.
f) Triller: Lanner notiert den Triller als senkrechten Strich, durchgestrichen mit einem ~, damit dĂĽrfte
weniger ein klassischer Triller als ein Pralltriller gemeint sein (die Klavierausgaben ersetzen den Triller
gerne durch einen Mordent).
g) Manchmal finden wir tr ĂĽber der Note, auch wenn mehrere Noten ohne Haltebogen hintereinander
gespielt werden, dann ist wahrscheinlich jedes Mal ein Anspielen (leichte Betonung der Note) gemeint.
h) Pauke: sowohl tr als auch klassische Balken (meist Sechzehntel, selten auch ZweiunddreiĂźigstel) wird von Lan-
ner verwendet. Die Sechzehntelbalken sind aber wahrscheinlich als Wirbel und nicht „misurato“ zu verstehen.
i) Wir müssen davon ausgehen, dass zusätzliche Verzierungen von Lanner angebracht wurden, die nicht
ausgeschrieben wurden. Tanzmusik, die in ihrer Struktur sich klar darstellen muss, wurde vielleicht
anders dargeboten als die Konzertversion, die vor einem aufmerksamen Publikum gespielt wurde.
Mangels Autographe kann ĂĽber die meisten Werke Lanners wenig ausgesagt werden, dort wo sie
überliefert sind, fällt die Präzision der Angaben auf – auch bei Frühwerken, was darauf hindeutet, dass
Lanner von Anbeginn an die Qualität der Ausführung in der Notation mitberücksichtigte.
j) Das zuvor Gesagte bezieht sich auf Lanners Autographe, mit Abstufungen auf zeitgenössische Stim-
menabschriften. Klavierausgaben sind von den Möglichkeiten und Einschränkungen des Instruments
geprägt. Erwähnt seien die von Czerny herausgebrachten erleichterten Ausgaben („Der Kinderball“),
in welchen extra erwähnt wird, dass die Oktaven weggelassen werden (steht sogar im Titel) und in den
Rezensionen, dass die anstrengenden Triller weggelassen werden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Lanner sich in seinen Partituren als ein geschmackvol-
ler Komponist erweist, der Abwechslung ins musikalische Geschehen sowohl in der Komposition selbst
als auch in der anschlieĂźenden Interpretation brachte. Mehr darĂĽber wird in nachfolgenden Kapiteln zu
sagen sein. Problematisch war die Ăśbertragung auf die Klavierfassungen, welche von den verlagseigenen
Arrangeuren hergestellt wurden: Verzierungen mussten an das Instrument angepasst werden, des Weite-
ren müssen wir Notationsunterschiede zwischen den einzelnen Verlagen (auffällig vor allem bei der Wie-
dergabe der Triller, der von „tr“ über den klassischen Mordent bis hin zu ~ reicht) mit berücksichtigen.
Notation
Laut neuesten Forschungen225 hatte Lanner zumindest rudimentär eine Ausbildung in der Graveurschule
der Erzverschneidungsschule der Akademie der bildenden KĂĽnste durchlaufen, was seine korrekte No-
tation und – mit Abstrichen – relativ fehlerfreie Orthographie (so weit es in dieser Zeit eine festgelegte
Orthographie gab – selbst in Zeitungsartikeln wechselt die Schreibweise eine einzigen Wortes innerhalb
eines einzigen Artikels) erklären könnte. Einige Eigenheiten Lannerscher Notation seien hier erwähnt.
a) Autographe Partituren: auffällig ist die saubere Schreibweise (im Gegensatz etwa zu Beethoven, dessen
Durchstreichungen und Wiedereinsetzungen Generationen von Herausgebern zur Verzweiflung getrieben
haben), selten trägt er Korrekturen ein. Manche Partituren tragen Spuren der Verlage, denen er sie zur
Druckvorlage ĂĽbergab, wenn etwa fĂĽr Erweiterungsstimmen (2. Oboe, 2. Fagott etc.) diese Partien in die Par-
titur geschrieben wurden oder die Stimmführung den geltenden „akademischen“ Regeln angepasst wurde.
b) Die Partituranordnung ist in der Regel (von oben) Streicher – Holzbläser – Blechbläser – Schlagzeug,
in seltenen Fällen notiert Lanner abweichend.
225 Siehe auch: Lanner-Katalog S. 13ff.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang