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Notenmaterialien
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Arrangements fĂĽr kleine Ensembles suchen entweder ambitioniert den Originalklang nachzubilden oder
einen eigenständigen zu schaffen. Eine gute Bearbeitung kann sich gleichwertig neben die Originalkom-
position reihen, wenn sie von kompetenten Musikern erstellt wurde, die Geschmack mit EinfĂĽhlungs-
vermögen verbinden. Ähnlich wie ein Übersetzer muss ein Bearbeiter eine gut ausgewogene Balance
zwischen Respekt und Selbstbewusstsein entwickeln.
Für die Tanzkomponisten aller Zeiten stellen sich Fragen dieser Art zunächst nicht. Tanzmusik war All-
gemeingut, wurde auf bekannte Melodien improvisiert, von Generation zu Generation weitergegeben,
variiert und fĂĽr den jeweiligen Zweck adaptiert. Nicht das Werk suchte sich die passende Form, sondern
in vorgegebene Modelle wurde Musik eingegossen. „Sine nomine“ steht über manchen Vokalkompositio-
nen der Renaissance, genau so gut könnte dieser Titel über den Tausenden von Menuetten, Walzern und
Kontretänzen stehen, die das 18. Jahrhundert hervorgebracht hatte.
Ein Bewusstsein fĂĽr die Besonderheit des einzelnen Werkes entstand nur langsam, wofĂĽr Titel ein wichtiges
Indiz sind. Was in der Diskussion um die absolute Musik240 noch heftig umstritten ist, einem Werk nämlich
ein Programm – und sei es nur durch eine Überschrift angedeutet – zu geben, war für den Walzer kein The-
ma (siehe auch das Kapitel „Titel“). Aus Serien von Tänzen – beliebig austauschbar und variabel zusammen-
gestellt – entwickelte sich das einzelne Werk, das nicht zuletzt durch den Titel seine Individualität erhielt.
Dieses neue Selbstbewusstsein – und ohne Übertreibung kann festgehalten werden, dass Lanner und
Johann Strauß Vater die ersten waren, die es auf dem Gebiet der Tanzmusik entwickelten – schlägt noch
nicht auf die Definition einer allein gültigen „Fassung“ durch. Zu sehr sind Lanner und Strauß von den
Erfordernissen des Tagesgeschäfts – im wörtlichen, also „pekuniären“ Sinn – geprägt. Beide drängten ihre
Verleger ständig, möglichst viele Bearbeitungen ihrer Werke herauszubringen. Bekanntheit, ja Beliebtheit
des Komponisten und Anzahl der Arrangements standen in ständiger Wechselwirkung.
Obwohl Lanner nie für das Klavier schrieb, war die Klavierausgabe die wichtigste – und für manche Tän-
ze sogar die einzige –, die einem interessierten Publikum die unmittelbare Begegnung mit seinen Werken
ermöglichte. Kaum hatte Lanner eine Novität auf einem Ball oder in einem Konzert vorgestellt, setzte ein
Ansturm auf die Notengeschäfte ein. Geschäftstüchtige Verleger erstellten manchmal die Klavierausgabe
zeitgleich, so dass schon innerhalb weniger Tage, wenn das neue Opus noch Tagesgespräch war, den be-
gierigen Käufern das Arrangement angeboten werden konnte.
Ăśber die Arrangeure wissen wir bei Lanner wenig, etwas mehr bei StrauĂź. Selten werden ihre Namen
genannt, es sei denn, es war ein so prominenter wie Czerny, der manchen der Lannerschen Tänze bear-
beitete (siehe unten).
Wie sind heute diese Bearbeitungen zu bewerten? Zum einen mĂĽssen wir den Verlagen dankbar sein, an-
sonsten hätten wir von zahlreichen Stücken allenfalls Kunde von Titeln und Aufführungsdaten. Sie bilden
aber auch interessante Quellen (ähnlich den Bläserbearbeitungen von Mozartopern) für aufführungsprak-
tische Details. Unterschiede in den diversen Ausgaben können auf instrumentenspezifische Rücksicht-
nahme hinweisen, vielleicht aber auch interpretatorische Eigenheiten widerspiegeln. FĂĽr Lanner stellten
die Bearbeitungen eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle dar, ohne die sein exzessives Schaffen und
sein Einsatz für seine Kapelle nicht möglich gewesen wären.
Klavierfassung
Die Klavierfassungen stellen die wichtigsten Ausgaben fĂĽr Lanner dar, wenngleich sie ihn nicht als Orches-
terkomponisten zeigen. Die Klavierbearbeitungen wurden von verlagseigenen Arrangeuren angefertigt, de-
ren Namen wir GroĂźteils nicht kennen. Ihre Aufgabe war es, einen gut spielbaren Klaviersatz anzufertigen,
240 Siehe auch: Carl Dahlhaus, Die Idee der absoluten Musik, Kassel 1978.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang