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2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache
in den deutschsprachigen Ländern/Regionen
Das häufig so genannte „geschlossene deutsche Sprachgebiet in Mitteleuropa“
(Ammon 2006, 1765) der deutschen Sprache erstreckt sich auf die so genannten
„Vollzentren“ der deutschen Sprache Deutschland, Österreich, die deutschspra-
chige Schweiz und die „Halbzentren“ Liechtenstein, die autonome Provinz Bozen-
Südtirol, Luxemburg und Ostbelgien (vgl. Variantenwörterbuch des Deutschen
–
VWB = Ammon et al.
2004). In diesen Staaten bzw. Landesteilen ist die deutsche
Sprache die Muttersprache der Mehrheit der Bevölkerung (mit Ausnahme von
Luxemburg, wo dies Letzeburgisch ist) und die staatliche Amtssprache. Die relative
Geschlossenheit des deutschen Sprachgebiets einerseits und die Verteilung auf
mehrere angrenzende Staaten sowie der Varietätenreichtum andererseits erklären
sich aus der historischen Entwicklung (zur Geschichte der deutschsprachigen
Länder siehe Ammon 2006, 1765 f). Die früher benutzte Bezeichnung „Binnen-
deutsch“ für die Varietät in Deutschland, der die „Peripherie“ in Österreich und
der Schweiz gegenübergestellt wurde, ist heute linguistisch überholt. Die deutsche
Sprache wird nicht als monozentrisch, sondern meist als plurizentrisch/pluri-
national oder pluriareal (s. u.) beschrieben.
Die sprachliche Situation im deutschsprachigen Raum ist durch eine reiche
dialektale Gliederung gekennzeichnet, die von einer gemeinsamen Standard-
sprache überdacht wird. Dabei wird häufig eine schwer zu operationalisierende
Zwischenebene „Umgangssprache“ (s. u.) angenommen. Die Dialekte werden
einerseits nach den germanischen Stämmen bezeichnet (Alemannisch, Bairisch,
Fränkisch, Sächsisch etc.), andererseits wird nach einem stark vereinfachten
Schema das deutsche Sprachgebiet meist in nord- südlicher Richtung dreigeteilt
(in Niederdeutsch für den Norden, Oberdeutsch für den Süden und Mitteldeutsch
für das Gebiet dazwischen) und in west- östlicher Richtung zweigeteilt (also z. B.
Westniederdeutsch für Nordniedersächsisch und West-/Ostfälisch) oder Ost-
mitteldeutsch (für Obersächsisch und Thüringisch) bzw. Ostoberdeutsch für das
bairische Sprachgebiet (vgl. die Karte bei Ammon 2008, 160). Die Nord- Süd-
Einteilung erfolgt im Wesentlichen nach den Ergebnissen der Hochdeutschen
Lautverschiebung (zweite Lautverschiebung) und einigen anderen lautlichen und
morphologischen Unterschieden, während die Ost- West- Einteilung nach unter-
schiedlichen Merkmalen der Dialekte erfolgt. Der erste Teil der Hochdeutschen
Lautverschiebung [harte Verschlusslaute
– stimmlose Plosive wurden entweder zu
Reibelauten (Frikativen) oder einer Kombination von Verschluss- und Reibelaut
(Affrikaten), also p zu f/pf; t zu s/tz, k zu ch/kch; z. B. Ap zu Affe, Appel zu Apfel
usw.] wurde für die Einteilung des deutschen Sprachgebiets besonders wichtig:
Er wurde im Oberdeutschen vollständig, im Mitteldeutschen teilweise und in
den niederdeutschen Dialekten gar nicht durchgeführt (Ammon 2008, 158 f).
Die so genannte Benrather Linie ist die bekannteste Isoglosse (Grenze zwischen
Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256