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Wird für die Herausarbeitung dessen, was in Österreich als hochsprachlich angesehen
wird, die Zuerkennung einer Varietät als überregional sowie deren Zuordnung zu einem
sozial hohen Status herangezogen, so werden in erster Linie die Sprecher oberer sozialer
Schichten aus Salzburg und Wien für eine Standardsprache als geeignet anerkannt.
Diese Ergebnisse sind im Übrigen von Steinegger (1998) bestätigt worden, in des-
sen Studie auf die Frage, wo in Österreich ein besonders schönes Hochdeutsch
gesprochen werde, Wien und Salzburg an oberster Stelle genannt werden (355, 377 f).
2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht
Das vorliegende Buch befasst sich mit der Rolle der deutschen Sprache im schu-
lischen Kontext, im Speziellen als Unterrichts- und Bildungssprache und im
Unterrichtsfach Deutsch. Deshalb seien vorweg auch einige Bemerkungen zur
Frage der Sprachnormen dem Ergebnisbericht vorausgeschickt. Dabei kann hier
nicht eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage der Norm, nach Peyer/
Portmann/Brütsch/Gallmann/Lindauer/Linke/Nussbaumer/Looser und Sieber
(1996) einem der „Schmuddelkinder“ der Linguistik, geleistet werden, die mit
Recht feststellen, dass der Normbegriff äußerst schillernd und „das Begriffswirr-
warr im Bereich ‚Sprache und Norm‘ kaum zu bewältigen“ sei (Peyer et al. 1996,
10). Es folgt daher lediglich eine kurze Diskussion von Normkonzepten, insofern
sie für die Fragestellung unseres Projekts von Relevanz sind.
Mit Sprachnorm meint man zunächst „das sprachlich Korrekte, Richtige“
(Ammon 2000b, 664), so wie es z. B. durch grammatische Hand- und Wörter-
bücher und durch den Kodex für die deutsche Standardsprache fest- und vor-
geschrieben oder zumindest empfohlen ist und durch Bildungseinrichtungen
(v. a. Schulen und Hochschulen), Medien u. Ä. verbreitet und z. T. überwacht
wird. Normverstöße führen zu sozialen Sanktionen, z. B. zu schlechten Noten in
der Schule oder zu Geringschätzung des Gesprächspartners/der Gesprächspart-
nerin bis hin zum Kommunikationsabbruch. Ein weiterer Normbegriff bezieht
jedoch auch Nonstandardvarietäten mit ein. Ammon (2000b) zufolge sei die
Gleichsetzung von Sprachnorm und Standardvarietät irreführend, denn auch
Nonstandardvarietäten wie Dialekte würden über Sprachnormen verfügen und
könnten korrekt oder inkorrekt gesprochen werden (a. a. O., 665).
Kleineidam (1986) unterscheidet zwischen einem „engeren“ und einem
„weiteren“ Sprachnormbegriff. Der engere Normbegriff entspreche dem Para-
digma der strukturellen Linguistik, die sich auf die Beschreibung eines als
homogen angenommenen Sprachsystems oder eines idealisierten Sprecher-
Hörers konzentriere (a. a. O., 58). „Sprachliche Normen sind nach diesem
Begriff auf die grammatische Wohlgeformtheit und Korrektheit sprachlicher
Formen und Konstruk tionen bezogen“ (58, Herv. im Original). Man könne
Sprachnorm und Sprachenunterricht
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256