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3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign
3.1 Zentrale Fragestellungen
Aus der Sichtung der Literatur und den Interviews mit den ExpertInnen lie-
ßen sich zu Beginn des Projekts eine Reihe von Annahmen ableiten: Die erste
Annahme war, dass in den Deutschlehrplänen für österreichische Schulen, ebenso
in gängigen Lehrwerken für den DaM-Unterricht, zum Themenkomplex Sprach-
reflexion und Sprachbewusstsein in Bezug auf soziolinguistische, insbesondere
staatsspezifische Variation wenig explizite Informationen zu finden sein würden.
Wir konnten weiters davon ausgehen, dass DeutschlehrerInnen kaum Materialien
und Publikationen zum österreichischen Deutsch und standardsprachlicher Varia-
tion zur Verfügung stehen. Ob und inwieweit sprachliche Variation im Unterricht
thematisiert wird, dürfte in erster Linie von den Interessen und der Kompetenz
der individuellen Lehrkraft und den Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen,
abhängen. Insgesamt dürfte „sprachliche Variation“ in der Praxis des schulischen
Unterrichts wenig thematisiert werden.
Bei den Studienplänen der Ausbildungsinstitutionen für angehende Pädagog-
Innen (Universitäten, Pädagogische Hochschulen, BAKIP 1) war zu vermuten, dass
staatsspezifische bzw. soziolinguistische Variation im Allgemeinen nur unsyste-
matisch Berücksichtigung finden. Es war daher anzunehmen, dass Lehramtskan-
didatInnen im Lauf ihrer Ausbildung weder ausreichende Grundkenntnisse über
nationale Varietäten des Deutschen noch über den Umgang mit österreichischem
Deutsch und anderen deutschen Standardvarietäten erhalten.
Was konkret das Wissen und die Einstellungen von LehrerInnen und Schüler-
Innen zur staatsspezifischen plurizentrischen Variation betrifft, wurde angenom-
men, dass wenig Wissen um die Unterschiede zwischen den Standardvarietäten
des Deutschen, also etwa zwischen dem österreichischen Standarddeutsch und
dem deutschen Standarddeutsch, vorhanden ist und dass Unsicherheit in Bezug
auf die eigene Varietät des Deutschen sowie Unklarheit über die Existenz eines
österreichischen Standarddeutsch besteht bzw. diese Varietät als umgangssprach-
lich oder dialektal beurteilt wird. Dabei finden sich v. a. in der Literatur Hinweise
auf einen Widerspruch zwischen der zentralen Bedeutung der eigenen Varietät
für nationale Identitätskonstruktionen und der linguistischen Bewertung sowie
auf eine Art sprachlichen Minderwertigkeitsgefühls.
1 Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik. Heute heißen diese Schulen zur Ausbildung von
KindergartenpädagogInnen BAfEP (Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256