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beispielsweise: „Versuche einem Deutschen das ‚österreichische Deutsch‘ Schritt für
Schritt beizubringen“. Als Beispiele für Doubletten finden sich u. a. „Gschlader“
–
„ungenießbares Getränk“; „Gstätten“
– „ungepflegtes Grundstück“; „Gschrapp“
–
„Kind“; „Dippel“
– „Beule“ und „Jauckerl“
– „Injektion“; diese fünf Beispiele sind als
dialektal oder Grenzfälle des Standard einzuordnen. Auch „Hutsche“
– „Schaukel“,
„sich einhaun“ – „sich einschmeicheln“, „matschkern“ – „sich beschweren“ fin-
den sich in diesem Teil (Basisteil Plus, S.
152). Die Variation wird dabei nicht mit
Unterschieden zwischen österreichischer Standardvarietät und deutschem Deutsch
erklärt, sondern mit der Opposition „auf gut Österreichisch“ versus
– „heißt auf
gut Deutsch“ (Basisteil Plus, S.
152). Das Lehrwerk „Deutschstunde 4“ thematisiert
zwar die staatsspezifische Variation in expliziter Form, erweckt dabei allerdings
den Eindruck von einem „lustigen“ österreichischen Deutsch, das im Gegensatz
zum bundesdeutschen Deutsch eine Fülle von non-
standardsprachlichen Aus-
drücken aufweist. Auch der Serviceteil liefert keine Hintergrundinformationen
rund ums österreichische Deutsch oder um die Plurizentrik.
In vielen Texten dieser Lehrbuchserie sind spezifische und unspezifische Aus-
triazismen/Deutschlandismen/Helvetismen vorzufinden, die allesamt unkom-
mentiert bleiben, was
– und das sei hier wiederholt
– bei aus der Alltagssprache
stammenden Austriazismen (z. B. Schularbeit, einen Dreier/Vierer …, heuer,
Kopfpolster, Matura, Zuckerl, Semmel, Beilagen, Fallergänzung, Umstandsergän-
zung, Artergänzung, Beistrich, das geht mich echt an, einen Fleck bekommen,
jem. angreifen (= Deutschland, Schweiz anfassen), Gendarm, Schlawiner, Tuchent,
Paradeiser, Kehrricht, Corner, Goal, Dreiradler, Plastiksack, Skihaube, patzen,
Pickerl, Briefträger, Kasten, Hausverstand, sich niederlegen) naheliegend erscheint,
sich jedoch bei manchen spezifischen und unspezifischen Deutschlandismen,
die den SchülerInnen zwar sicherlich rezeptiv bekannt sind, aber deren Ein-
ordnung unklar sein könnte, anbieten würde (z. B. pusten, Imbissbude, Mütze,
Selbstbedienungsladen, Ladenbesitzer, Laden, Kippe, Gardine, Kommasetzung,
eine SMS schreiben, Hefe, Bollerwagen, erkältet, Junge, zur Schule gehen, eine
Zwei würfeln, Stuhl, Postbote).
Die plurizentrische Variation der deutschen Sprache und österreichisches
Deutsch kommen auch in keinem der analysierten Serienteile des dritten Lehr-
werks der Sekundarstufe I „ganz klar: Deutsch“ zur Diskussion. Im Beiheft „Fit und
kompetent“ ist von einer Standardsprache die Rede, was auf eine monozentrische
Sichtweise hindeutet. Abgesehen davon beschäftigt sich „ganz klar: Deutsch 4“ zwar
mit soziolinguistischer Variation (Dialekt, Umgangssprache, Standardsprache),
klammert aber den Bereich der standardsprachlichen Variation im Deutschen
aus. Auch der Serviceteil liefert keine Hintergrundinformationen oder Verweise
auf den Umgang mit diesem Thema.
Das Lehrbuch bespricht relativ ausführlich die Frage der Varietäten (Dia-
lekt, Mundart, Umgangssprache, Standardsprache, Jugendsprache, Fachsprachen
oder Gruppensprachen/Soziolekte). So sollen in einer Übung die SchülerInnen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256