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Deutschen behandelt werden? 47,1 % der DaZ-Unterrichtenden waren der Mei-
nung, dass österreichisches Deutsch in den DaZ-Lehrmitteln thematisiert wird,
52,9 % sahen dies nicht so. Soziolinguistische Variation wird nach Einschätzung
der DaZ-LehrerInnen in DaZ-Lehrmitteln kaum thematisiert: Nur 18,8 % gaben
an, dass diese Variation in den Lehrmitteln für DaZ berücksichtigt wird: Mehr
als vier Fünftel (81,2 %) meinten, dass sie dort keinen Niederschlag findet.
Danach gefragt, was sie vom Konzept des integrativen Sprachunterrichts halten,
demzufolge jeder Unterricht Sprachunterricht ist, reagierten die LehrerInnen über-
wiegend positiv: Mehr als 86 % der Befragten stimmten dem integrativen Konzept
stark oder sehr stark zu. Rund 14 % konnten dem Ansatz wenig oder nichts abge-
winnen. Viele, die hinter dem Konzept stehen, sehen den Ansatz in der Unterrichts-
praxis aber noch als kaum verwirklicht an. Fast 60 % der Befragten zufolge werde
das integrative Konzept in ihrem Arbeitsumfeld wenig oder gar nicht umgesetzt.
In den Einzelinterviews (siehe Kap. 5.4) wurde den LehrerInnen die Frage
gestellt, inwieweit sie das Gefühl haben, dass sich auch andere KollegInnen (die
nicht Deutsch unterrichten) für den Bildungssprachenunterricht zuständig fühlen,
wie es das integrative Konzept von Sprachunterricht vorsieht. Die meisten Befrag-
ten gaben an, dass sich ihre KollegInnen nicht oder kaum zuständig fühlen würden,
wie das folgende Beispiel demonstriert:
Also i hab oft das Gefühl, dass vieles auf uns einfach abgeschoben wird, und wenns
dann darum geht, Referate zu halten oder zu präsentieren, dann kommt oft die Mel-
dung: „Wieso habts Ihr des no nit ausführlich besprochen?“ Und: „Können die kein
Exzerpt schreiben?“, also das wird oft einfach so gerne auf uns abgewälzt, und - - ja.
Ma hat manchmal das Gefühl, ma könnte ENDLOS arbeiten.
Was die LehrerInnenausbildung angeht, ist die Wahrnehmung der Befragten ein-
deutig: 86 % waren der Ansicht, dass sprachliche Variation in der LehrerInnen-
ausbildung zu wenig oder gar nicht thematisiert wird (siehe Abb. 11 auf S. 103).
Die befragten VolksschullehrerInnen haben die Themen „Deutsch als Unter-
richts- und Bildungssprache“ sowie „sprachliche Variation im Deutschen“ in ihrer
Ausbildung signifikant am stärksten wahrgenommen (p = 0,000), gefolgt von
HS/NMS- und schließlich von AHS-/Sek.-II-LehrerInnen. Frauen gaben dabei
signifikant häufiger als Männer an, dass von diesen beiden Themenbereichen in
ihrer Ausbildung die Rede gewesen sei (p = 0,008). Jüngere LehrerInnen (bis
31
Jahre) gaben überhaupt am häufigsten an, dass Deutsch als Unterrichtssprache
in ihrer Ausbildung thematisiert wurde (p = 0,002) – ein Hinweis auf mögliche
Änderungen in der Ausbildung in letzter Zeit.
Auf die Frage, ob sprachliche Variation in der LehrerInnenausbildung aus-
reichend thematisiert wurde, antworteten rund 70 % der LehrerInnen, dass die
Thematisierung in ihrer Ausbildung nicht ausreichend stattgefunden hat (siehe
Abb. 12 auf S. 103).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Empirische Erhebung bei LehrerInnen und
SchülerInnen102
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256