Seite - 129 - in Österreichisches Deutsch macht Schule - Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Bild der Seite - 129 -
Text der Seite - 129 -
auf sich hält, spricht Dialekt, und wer das nicht kann, ist halt nicht dabei. Ganz einfach.
(xxxx) Wenn man hier dazugehören will, ist Dialekt entscheidend.
Vor allem die Gruppendiskussionen haben gezeigt, dass es letztlich für die Sprech-
erInnen sehr schwierig ist, die Variation des Deutschen in Österreich und das
Dialekt- Standard- Kontinuum zu konzeptualisieren, wie folgende Äußerung in
der Gruppendiskussion der SchülerInnen zeigt: „Ja es is irgendwie schwer da eine
Linie zu ziehen und zu sagen, das is jetzt Hochdeutsch und das is Umgangssprache,
weil es bewegt sich immer irgendwie dazwischen, finde ich.“ (F2)
In der LehrerInnen- Gruppe entstand bei der Nachfrage, wie es denn zu inter-
pretieren sei, dass den Fragebogenergebnissen zufolge die meisten LehrerInnen
beim österreichischen Deutsch in erster Linie an die Umgangssprache denken,
eine lange Diskussion. Einigen TeilnehmerInnen war relativ klar, dass alle hei-
mischen Varietäten das österreichische Deutsch ausmachen. Andere waren sich
aber nicht sicher, was denn unter dem österreichischen Deutsch zu verstehen
sei, wobei die entsprechenden Stellungnahmen von vielen Unterbrechungen und
Turnwechseln, von Hesitationsphänomenen, Satzbrüchen und Stocken gekenn-
zeichnet waren. Dieser Umstand belegt, dass hier sprachliche Unsicherheiten
bestehen. Diese Passage sei hier ausführlicher berichtet:
Für F7 (405 ff) war es zunächst relativ klar:
Najo, es ist alles österreichisches Deutsch. Jede Variante, na? Ob jetzt in einem, was
i net, a/ aso tiefste Umgangssprache mehr oder weniger (orientiert), tiefster Dialekt,
oder geHOBene Umgangssprache, w:ie, w:/ jo, im Alltag häufig oder auch in den, (in
den) Medien mit den typisch/ mit der typischen Betonung und den typisch österrei-
chischen Wörtern. (Gibts) anfoch verschiedene Abstufungen.
F2 stimmte dem zu und führte als literarisches Beispiel Handkes „Immer noch
Sturm“ an, also literarische „Hochsprache“, in die eben auch Dialekt einfließe, „also,
des is net abzugrenzen genau, daher ist für mich SCHON, ah, die Vielfalt da.“ (434).
Auch für M1 (476 ff), der die Situation mit dem Irischen in Irland verglich, wo
er ein Jahr gelebt hat, und dem von F2 und F3 während seines Turns zugestimmt
wurde, waren alle drei typische Ausprägungen des österreichischen Deutsch: „Und
olle drei Varianten ergeben das österreichische Deutsch.“
Also, für mich ist Deutsch eindeutig der Überbegriff und die drei
– verschiedenen Ebe-
nen san die Unterbegriffe. Standardsprache, Umgangssprache, Dialekt. (Zustimmung
F2: ‚JA. Genau. Genau.‘; F3: ‚Ja. Des is genau des, ja‘) […] und des unterscheidet sich
vom Schweizer Deutsch und vom deutschen Deutsch, vom deutschländischen Deutsch.
Aber,
– für MICH müsste man dazu sagen, was ist österreichisches Standarddeutsch, net?
Oder Standardsprache. Für mich ist des a eigene Variante des österreichischen Deutsch.
(F2: „Do stimm i dir zu.“) Und olle drei Varianten ergeben das österreichische Deutsch.
Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich
| 129
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256