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Wie schon gesagt, stimmten F2 und F3 dem zu, F3 z. B. (496 f): „Des wäre jetzt,
was alles Österreicher sprechen, so quasi. Oder gesammelt.“
F2 (567 ff) ergriff dann selbst das Wort und unterstrich ihre Auffassung:
Tschuldigung. Ah, also für mi wärs a totale VerARMung, wenn ma das österreichische
Deutsch auf eine dieser DREI Säulen reduzieren würde, weil Sprache eben, ah, a leben-
diger Prozess is, der sich ständig verändert,
… eine innere Mehrsprachigkeit gibts jo net
nur bei uns, sondern auch in anderen Sprachen.
[…] Und das österreichische Deutsch
versteh ich schon als VIELSCHICHTIG …, in verschiedenen Färbungen. Und das is
ja a Reichtum. Das ist für mi der Reichtum, dass es so vielfältige Möglichkeiten gibt.
F3 (445), die prinzipiell auch einem Konzept zustimmte, wonach alle Varietäten
als österreichisches Deutsch zu verstehen sind, meinte aber relativierend:
… dass ich SCHON a bisschen unterscheide zwischen, aso, für MICH jetzt da dieses
österreichische Deutsch als ein Deutsch, das ich überall verstehe, und einen Dialekt
als SpeZIALausführung einer Sprache, wenn ich zum Beispiel nach Tirol komme, und
DIE sich bemühen, ein österreichisches Deutsch zu sprechen, dann komm ich mit.
Wenn die untereinander ihren Dialekt sprechen, dann kann ICH NICHT MEHR MIT.
Auch F9 war sich nicht sicher, und F4 forderte dann (vom Moderator) eine Defi-
nition ein, der den Ball zurückspielte:
F9 (458): „Ist es die Sprache, die die Österreicherinnen und Österreicher sprechen? Und
des geht vom Dialekt über die Umgangssprache, oder ist das österreichische Deutsch
das kodifizierte Deutsch, was man in dem schönen Wörterbuch findet?“
F4 (465): „Ja. Deshalb/ Genau. Deshalb war jo meine Frage. Wie wirds definiert?
–
Was ist die Definition? Ja? (lachend)“
Und als der Moderator meinte: „Ich frag Sie. Ja? Wie Sies definieren. Es geht genau
um eines, wir wollens einfach WISSEN von Ihnen, ja?“ meinte F4 (469 ff), für sie
sei es [das österreichische Deutsch] der Standard: „Ja, für m:ich, also für MI:CH
PERSÖNLICH is es, ah, differiert. Der Dialekt ist der Dialekt und die Österreich/
also, des österreichische DEUTSCH, diese STANDARDsprache, sozusagen, des is für
mich eine eigene Sprache. Im Gegenzug zum Dialekt.“ (Kommentar F2, 472: „Na!
(Glaub i net, na!) ((gemurmelt, kopfschüttelnd))“
Die Satzbrüche in den obigen Textpassagen, die beobachteten Hesitationen und der
Gebrauch relativierender Partikel dokumentieren, dass für einen Teil der Disku-
tantInnen Unsicherheit bei der Konzeptualisierung des österreichischen Deutsch
besteht. In der ganzen Diskussion kam zum Vorschein, dass etlichen Teilnehme-
rInnen nicht ganz klar war, was unter dem österreichischen Deutsch zu verstehen
ist. Sie bemühten sich in der Diskussion, eine Definition für das „österreichische
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen130
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256