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Weitere häufige lehrerseitige Anmerkungen und Textkorrekturen betrafen Arti-
kel vor Eigennamen. Hier fiel auf, dass vor einem Vornamen stehende Artikel (z. B.
„der Wolfgang“) etwa doppelt so häufig korrigiert wurden wie jene, die in Kombi-
nation mit einer Verwandtschaftsbezeichnung verwendet wurden (z. B. „die Oma“).
Der vorgelegte Aufsatz ist im Perfekt erzählt. Diese Verwendung des Perfekt als
Erzählzeit war ebenfalls vereinzelt Gegenstand der Korrektur. Das Perfekt, das in
Österreich
– wie ein Blick in die Kinderliteratur bestätigt 13– auch im Schriftlichen als
Erzählzeit gebräuchlich ist, wurde von mehr als zwei Drittel der Lehrenden akzep-
tiert. 31,9 % der LehrerInnen haben jedoch die Perfektformen im Testaufsatz nicht
unmarkiert stehen lassen.
Analysiert man die Korrekturen von Deutschlandismen und Austriazismen
auf Basis der Lehrerkommentare, sind zwei Korrekturmotive nicht zu übersehen:
Lehrerseitig wurden Deutschlandismen wegen ihrer
– zugespitzt formuliert
– „zu
deutschen Natur“ angestrichen. Bei den Austriazismen war es hingegen so, dass
die LehrerInnen an den betreffenden Ausdrücken Anstoß nahmen, weil diese
als nicht „standardsprachlich genug“ empfunden wurden.
Besonders auffällig war, dass sich die LehrerInnen beim Unterwellen von
Ausdrücken je nach Alter, Schulform und Unterrichtsort abweichend verhalten
haben. Beim Vergleich der LehrerInnen- Korrekturen nach Altersgruppen gab es
signifikante Unterschiede (p = 0,019) beim Umgang mit Deutschlandismen. Wie
das folgende Diagramm darlegt, wurden von der jüngsten LehrerInnengruppe
rund 19 % der Deutschlandismen mit einer Welle markiert, während die älteste
Lehre rInnengruppe fast doppelt so viele Deutschlandismen unterwellt hatte. Hin-
sichtlich der unterwellten Austriazismen zeigte sich die Tendenz, dass die jüngste
LehrerInnengruppe etwas mehr Austriazismen unterwellt hatte (18,8 % der Aus-
triazismen unterwellt) als die älteste LehrerInnengruppe (15,2 % der Austria zismen
unterwellt). In Kombination betrachtet deutet dies darauf hin, dass jüngere Leh-
rerInnen Deutschlandismen eher akzeptieren als ältere LehrerInnen.
bb. 60
bb. 61
86,5
66,2
57
42,4
37,4 36,9
31,9
24,5 22,1 22,1 22,1 20,9 20,3
0
20
40
60
80
100
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Austriazismen:
am häufigsten korrigiert oder unterwellt (in %)
19,4 28,0 33,9 36,6
18,8 17,2 16,9 15,7
0
10
20
30
40
22–31 Jahre 32–41 Jahre 42–51 Jahre 52–63 Jahre
Unterwellt: Unterschiede zwischen den Alterskohorten (in %)
Deutschlandismen Austriazismen
Abb. 60: Unterwellt: Unterschiede zwischen den Altersgruppen (in %)
13 Z. B. Christine Nöstlinger: Geschichten vom Franz.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen170
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256