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Das für Österreich typische Dialekt- Standard- Kontinuum war in allen Schulen
beobachtbar. Die Verwendung der jeweiligen Varietät war jedoch oft situations-
abhängig: nicht- standardsprachliche Varietäten wurden in den meisten Fällen
entweder beim Tratschen verwendet (SchülerInnen) oder wenn Emotionen im
Spiel waren, z. B. Ärger (disziplinäre Äußerungen von LehrerInnen) oder in nicht
stoff- bzw. themenbezogenen Gesprächen.
Dasselbe Ergebnis brachten die Interviews, die mit DeutschlehrerInnen geführt
wurden: Die meisten von ihnen gaben an, am ehesten bei emotionaleren Angele-
genheiten oder außerhalb des Unterrichts bzw. wenn sie gerade nicht vortragen
würden, in eine Nonstandardvarietät zu wechseln.
Die Einteilung der Äußerungen in Standard, Umgangssprache und Dialekt
erfolgte ausschließlich aufgrund der Wahrnehmung der die Beobachtung durch-
führenden Person; ein wichtiges Desiderat wäre, solche Beobachtungen mit Video-
aufnahmen durchzuführen (wie z. B. Steiner 2008).
6.5.1 Thematisierung des österreichischen Deutsch im Unterricht
Inwieweit Deutsch- Lehrkräfte in ihrem Unterricht unterschiedliche Sprach-
formen (Dialekt/Umgangssprache/Standardsprache) thematisieren und welche
Themen Sie dafür zum Anlass nehmen, sollte in einem didaktisch orientierten
Fragebogen
teil erfragt werden.
Etwa die Hälfte der Lehrenden (49 %) gab an, unterschiedliche Sprachformen
häufig oder sehr häufig im Unterricht zu thematisieren, wobei viele unterschied-
liche Anlässe genannt wurden, u. a.: aktuelle Pressetexte, Stilübungen, Gedichte
und Lieder, Referate, aus Deutschland stammende Lektüre, Entwicklung der deut-
schen Sprache etc. Bei der anderen Hälfte (50,9 %) der Lehrpersonen kommt
dieses Thema im Unterricht selten bis nie vor.
Signifikante Unterschiede fanden sich dabei nach Geschlecht (p = 0,011), Schul-
form (p = 0,000), Ausbildungsort (p = 0,000), Studienfächern (p = 0,050) und
Unterrichtsfächern (p = 0,044).
So zeigt sich, dass deutlich mehr männliche Lehrkräfte (75 %) unterschiedliche
Sprachformen häufig oder sehr häufig im Unterricht angeben zu thematisieren als
weibliche (42,2 %)
– ein schwer interpretierbarer großer Unterschied zwischen Leh-
rern und Lehrerinnen in ihren Angaben zur Thematisierung sprachlicher Varia-
tion im Unterricht. Und nur 24,1 % der VolksschullehrerInnen gaben an, dieses
Thema im Unterricht häufig oder sehr häufig im Unterricht zu besprechen, aber
mehr als doppelt so viele LehrerInnen (52,4 %), die an einer HS/NMS unterrichten,
und 64,6 % der AHS- bzw. BHS- oder BAKIP-LehrerInnen. Dem entspricht auch,
dass deutlich mehr Lehrpersonen, die an einer Universität ausgebildet wurden
(65,3 %), häufig bis sehr häufig unterschiedliche Sprachformen thematisieren als
LehrerInnen, die ihre Ausbildung an einer PH absolviert haben (31,5 %).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen212
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256