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sogar fast einstimmig. Anders war es bei den SchülerInnen, die von einem regio-
nenübergreifenden österreichischen Standarddeutsch weniger stark überzeugt
waren (57 %) als die LehrerInnen, wobei unter den SchülerInnen erneut regional
bedingte Meinungsunterschiede auffällig waren: Mehr als die Hälfte der befragten
Vorarlberger (57 %) und Tiroler (55 %) SchülerInnen stimmten der oben genann-
ten Behauptung nämlich zu.
Als explizit nach der Meinung zu einem „überregionalen österreichischen
Standarddeutsch, das sich vom Deutsch Deutschlands in manchen Bereichen klar
unterscheidet“ gefragt wurde, fand weiterhin das Konzept eines „überregionalen
österreichischen Standarddeutsch“ unter der Mehrheit der PädagogInnen Zustim-
mung (77 %). Und erneut haben wir unter den Universitäts- AbsolventInnen die
höchsten Zustimmungsraten (85 %) festgestellt.
Insgesamt wurde ersichtlich, dass innerösterreichische Sprachunterschiede
für die Mehrheit der ProbandInnen kein Hindernisgrund sind, von einem über-
dachenden österreichischen Standarddeutsch auszugehen
– was wiederum dafür
spricht, dass in erster Linie eine plurizentrische Konzeptualisierung unter Öster-
reichs Lehrkräften und (weniger stark) auch unter den SchülerInnen anzutreffen
ist, die in zweiter Linie durch eine Form der regionalen Plurizentrik oder Plu-
riarealität ergänzt wird. Generell erschienen die SchülerInnen als sprachliche
LaiInnen diesbezüglich unsicherer.
Die Durchsicht der Ergebnisse hat auch gezeigt, dass in punkto Konzeptuali-
sierung der deutschen Sprache unter LehrerInnen andere Faktoren maßgeblich
sind als bei den SchülerInnen. Als roter Faden hat sich durch die Konzeptuali-
sierungsergebnisse gezogen, dass bei den Lehrkräften vor allem die Schulform
respektive die Ausbildungsinstitution den konzeptionellen Blick auf das Deut-
sche signifikant beeinflusst – an den Universitäten ausgebildete Lehrpersonen
tendierten stärker zu plurizentrischen Einstellungen.
Bei den SchülerInnen wurde je nach regionaler Herkunft die deutsche Sprache
unterschiedlich konzeptualisiert. Signifikante regionale Unterschiede, vor allem
zwischen östlichen und westlichen Bundesländern, zeigten sich bei den SchülerIn-
nen darüber hinaus vom TV-Konsum in der Kindheit über die ÖWB-Verwendung
bis hin zu den Einstellungen gegenüber den Standardvarietäten des Deutschen
immer wieder, wobei Vorarlberger SchülerInnen häufig anders antworteten als
Tiroler SchülerInnen.
Wie komplex die Konzeptualisierung der deutschen Sprache in Österreich
ist, sieht man daran, dass unter den ProbandInnen keine Einigkeit darüber
herrscht, was sie unter „österreichischem Deutsch“ verstehen. Dies ist ange-
sichts der Tatsache, dass diese Frage weder in der LehrerInnenausbildung noch
in den Schulbüchern Klärung erfährt, nicht weiter verwunderlich. Erkundigt
man sich bei den LehrerInnen und SchülerInnen danach, mit welcher Varie-
tät bzw. mit welchen Varietäten (Dialekte/Umgangssprache/standardnahe
Mediensprache) sie österreichisches Deutsch primär assoziieren, so zeigen sich
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256