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Dazu bedarf es einer Überarbeitung der Schulbücher, indem sachlich proble-
matische Darstellungen und fachlich unscharfe Begriffsverwendungen modifiziert
werden. Es sollten auch jene Kapitel bearbeitet werden, die der Sprachreflexion
gewidmet sind, aber bislang die nötigen Ausführungen zu sprachlicher Varia-
tion vermissen lassen. Die vielen Beispiele für sprachliche Variation, die in den
Schulbuchtexten bereits vorkommen, könnte man ohne allzu großen Aufwand
didaktisch nutzen und – so wie es in der Fremdsprachendidaktik in manchen
Englisch- Lehrwerken oder auch in DaF-Lehrwerken längst üblich ist
– mit staats-
spezifischen Varianten oder weiterführenden Texthinweisen versehen, die den
Lernenden mehr Orientierung und eine klare Verortung im deutschen Sprach-
raum bieten. Das Sichtbarmachen plurizentrischer Variation birgt einen päda-
gogischen Mehrwert für die Lernenden und wäre für Lehrkräfte mit einfachen
Mitteln umsetzbar, meint auch Dürscheid, die die Lektüre von Zeitungsartikeln
aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vorschlägt, in denen Unterschiede
zwischen den Standardvarietäten thematisiert werden (Dürscheid 2009, 66 f).
Denn SchülerInnen können, betont etwa auch Kellermeier- Rehbein (2014, 210 f),
„anhand der Plurizentrik Kenntnisse über die standardsprachliche Variation des
Deutschen gewinnen und über sprachliche Normen sowie über eigenen und
fremden Sprachgebrauch nachdenken“. Und es sei sinnvoll, mit den SchülerInnen
zunächst die Existenz mehrerer Nationalvarietäten zu erarbeiten und sie dafür zu
sensibilisieren, was mit der Entwicklung von sprachlicher Toleranz und Respekt
gegenüber dem fremdnationalen Sprachgebrauch einhergehen sollte.
Damit im Zusammenhang ist die Aus- und Weiterbildung für LehrerInnen
in die Pflicht zu nehmen. Angehende Lehrkräfte brauchen nicht nur Fachwissen
zum Umgang mit Dialekt, Umgangssprache und Standard im Deutschunterricht.
LehrerInnen brauchen auch ein souveränes Auftreten in der Standardsprache,
wenn sprachliche Variation zur Debatte steht. Dies kann durch einschlägige Pflicht-
lehrveranstaltungen zum Thema „Sprachliche Variation und Deutschunterricht“
gewährleistet werden. Und da der Großteil der jetzt unterrichtenden Lehrperso-
nen in ihrer Ausbildung damit nicht in Berührung gekommen ist, ist natürlich
auch die Weiterbildung gefordert. Veranstaltungen wie die vom österreichischen
Bildungsministerium zum Thema „Welches Deutsch an Schulen. Österreichi-
sches Deutsch und Plurizentrik“ (März 2014) oder „Österreichisches Deutsch im
Bildungskontext“ (Oktober 2016) sollten verstärkt angeboten werden, um diese
Lücke in der Ausbildung zu schließen.3
Ein Ziel des schulischen Deutschunterrichts sollte unseres Erachtens der
reflektierte Umgang mit sprachlichen Unterschieden sein sowie die Schärfung
der Wahrnehmung auf SchülerInnenseite, was den kompetenten Umgang mit
3 An der Ausarbeitung und Durchführung war das Projektteam beteiligt. Auch die vom Bil-
dungsministerium herausgegebene Broschüre „(Österreichisches) Deutsch als Unterrichts- und
Bildungssprache“ (BMBF 2014a) ist in diesem Kontext entwickelt worden.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256