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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  162  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne ten Testaments erwiesen wurde.7 Und Goethe wurde gewissermaßen zum »Gott« und zum einschlägigen Symbol dieser »Bildungsreligion«. Wie sah es nun mit der Beherrschung der deutschen Sprache und in weiterer Folge mit der Bildungsreligion bei den Viertels aus ? Daten aus Volkszählungen belegen, dass um 1880 etwa zwei Drittel Jüdinnen und Juden in Galizien Pol- nisch sprachen. Da aber Jiddisch als eigene Sprache nicht angegeben werden konnte, spiegelten diese Daten nicht die Realität des jiddischen Sprachge- brauchs wider.8 Anna und Salomon Viertel, die beide etwa seit ihrem 15. Le- bensjahr in Wien lebten, sprachen in ihrer geschäftlichen Umgebung sicherlich deutsch. Berthold Viertels Vater dürfte zu Hause gerne noch Jiddisch gespro- chen haben, auch seine späten Briefe enthalten jiddische Formen.9 Briefe von Anna Viertel existieren nicht (mehr ?). Der ebenso hochgebildete wie hochakkulturierte Victor Adler schrieb 1903, nach einer kurzen Begegnung mit Salomon Viertel : »[E]r ist ein […] ungebil- deter, alter Jud«.10 Tatsächlich war die Familie Adler in Sachen Bildung und (deutscher) Kultur den Viertels um eine Generation voraus und so konnte der eigentlich zehn Jahre ältere, zum Protestantismus übergetretene Victor Adler in Salomon Viertel einen ungebildeten, alten Juden  – ähnlich seinem eigenen, im Ghetto aufgewachsenen Vater Salomon Adler  – sehen. So funktionierte die »Hierarchie der Akkulturation«11. Obwohl politisch durchaus dem deutschen Liberalismus verpflichtet, konnte Salomon Viertel mit der deutschen Kultur wenig anfangen : »Meinen Vater […] langweilte es, still zu sitzen und einem fremden Gedankengang zu folgen, da ihm ja doch nur durch die Rösselsprünge seines eigenen, lebhaften […], aber unbelehrten und schwer belehrbaren Den- kens unterbrochen […] wurden. Daher las er selten ein Buch zu Ende.«12 Es sollen überhaupt  – und im Falle der Viertels war das zutreffend  – eher die Mütter gewesen sein, die ihren Kindern Verehrung für deutsche Hochkultur »einimpften«.13 Mehrfach betonte Berthold Viertel den »Bildungsdrang« seiner Mutter, ihre Liebe zu guten Büchern und zu den im Burgtheater aufgeführten Klassikern.14 Er machte aber auch klar, dass Anna Viertel seine Begeisterung für 7 Bauman, Moderne, 2005, 204–205. 8 Lichtblau, Integration, in : Brugger/Keil u.a. (Hg.), Geschichte der Juden, 2006, 447–566, 462–463. 9 Briefe Salomon Viertels an BV, 1931–1932, o.S., K20, A : Viertel, DLA und BV, Der Tod des Vaters in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 198–199. 10 Victor Adler an Karl Adler, 2. August 1903, fol.15, K1, M1, T1, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 11 Timms, Kraus, 2005, 108. 12 BV, Die sieben Jahre sind um, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 24. 13 Lichtblau (Hg.), Als hätten wir …, 2009,85–94, 86–89. 14 Vgl. u.a. BV, Die sieben Jahre sind um, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 24 ; BV, Konvolut Autobiographie. Österreichische Illusionen (3 Hefte), o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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