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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  178  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne deckung hielt er lieber geheim : »Er hatte den heiligen Urzorn dieser großen Unabhängigen […] wie feuriges Gift in sich eingesogen und gefühlt, dass er damit einer verbotenen Neigung fröne : denn er bezog diese Brandreden auf eine Gegenwart, die er noch nicht kannte, aber ahnte.«25 Gott wurde nun »der strenge Gott der Propheten« und Berthold Viertel fühlte sich  – eine Vorstellung vieler Kinder  – von ihm auserwählt : Wie, wenn Gott ihm plötzlich antwortete ? Wenn er selbst zum Propheten auserkoren wäre, da er doch Jude ist ? Was ist das, ein Jude sein ? Einem auserkorenen Volk ange- hören, das aber den Fluch auf sich gezogen hat ? Die Dienstmädchen erzählen das dem Knaben. Es setzt sich auf dem Grunde seiner Seele fest, wird ein Hauptelement. Wie, wenn es seine Bestimmung wäre, das Volk zu retten.26 Die Auseinandersetzungen mit Gott sowie der Umgang mit den Propheten fanden vor allem in den Kindheitssommern im Wienerwald statt, denn : »Hinter den grünen Hügeln der Hochquell-Wasserleitung bei Wien wohnte damals noch Gott. […] Der ganze Sommer in der Weidling-Au war von Gottes Anwe- senheit durchwärmt und angeheimelt.«27 Für die gesellschaftlich aufsteigende Familie Viertel war die Sommerfrische ein »Privileg, von dem unbedingt Ge- brauch gemacht werden musste.« Mit der Westbahn fuhren sie alljährlich für drei Monate in den Wienerwald, die Voralpen, sich »mit kleinbürgerlicher Vorsicht« immer weiter vorwagend  – von Hütteldorf-Hacking nach Hadersdorf, nach Weidlingau, nach Purkersdorf, nach Pressbaum, Rekawinkel bis nach Neu- lengbach. Berthold Viertel fühlte sich »für immer in dieser Landschaft ver wur- zelt«28. Die »religiöse Periode der Kindheit, dauerte an, bis Berthold Viertel 13 Jahre alt war« und hatte später noch ein »kurzfristiges Pendant in einer von Kierkeg- aard, Pascal, Augustinus heimgesuchten Periode.«29 Dann endeten die »Jahre der Frömmigkeit« und mit ihnen die »eifrige Lektüre des Alten Testaments« und die »Hoffnung, als Prophet […] berufen« zu werden. Die Erinnerung an die Kindheitsreligiosität blieb aber wichtig : »Ich wollte, ich wäre dieser Knabe wie- der, um seines Umgangs mit den jüdischen Propheten willen.«30 Mit 13 Jahren wurden jüdische Knaben traditionell und offiziell in die jüdi- sche Religionsgemeinschaft aufgenommen. Im Falle Berthold Viertels fand die 25 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 76. 26 BV, Autobiographie. Österreich. Illusionen, o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA. 27 BV, [Marie], in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 26–27. 28 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 82–85. 29 BV, Die Stadt der Kindheit, o.D., o.S., NK09, A : Viertel, DLA. 30 BV, Kindheits-Saga, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 18.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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