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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Erster  Weltkrieg |  325 […] (D)ie Ostjuden hier im Osten ? […] Ich habe auch nur gewußt, daß sie Bärte tragen und die Haare an den Schläfen nicht stutzen ; […]. Ach, wir verabscheuen die Spezies, wir Westler. Sie hat mit uns nur gemein die Hauptmerkmale des homo sapi- ens […]. Wie anders ist unsere Sinnlichkeit, wie anders ist unsere Vernunft […] ?  – […]. Posthistorische Menschen sind es, wie Viertel sagt. […] Manchmal denke ich : diese Wilden sind doch bessere Menschen ! […] Aber diese Verwandlung aus dem Inneren […]. Beängstigend. […] Es sträubt sich […] das moderne Bewußtsein.73 Im Juli und August 1915 herrschte, wie Berthold Viertel es ausdrückte, »großer, banger Stillstand« in seinem Frontabschnitt. Der »giftige« Dnjestr »brütete« inmitten der »allgemeinen nervösen Apathie« Cholera und das »Nest« Halicz, wo Viertel sich aufhielt, wurde zur »Cholerastadt«.74 Er spürte nun, wo man[n] notgedrungen innerhalb der »Korpstrainoffiziersinsel« Trost und Schutz beiein- ander suchte, wieder stärker »jene dichte Kameradschaft wie in Serbien oder wie an der Front.« Dennoch fühlte er sich oft isoliert und empfand sich als Außen- seiter »in strict opposition to the general feeling« :75 Beim Nachtmahl merke ich gut, daß sich alle vor der Cholera fürchten. Sie geben sich so übertrieben sorglos und saufen Schnaps, plötzlich, denn Schnaps ist gut für -- ! Man überschreit mich als ich erkläre, Schnaps sei nicht gut für Cholera ! […] Natür- lich die üblichen Posen bei allen : Furchtlosigkeit, ach was, Fatalismus, Verachtung der medizinischen Vorschriften. Ich spreche dagegen und gelte, was allen zur Folie passt, als ausgemachter Cholerafeigling. Dabei hätte keiner der Herren, wie ich in Volcz, einen Kameraden ins Typhusspital gebracht, ihn besucht, getröstet […]. Das Nacht- mahl besteht aus Rauchfleisch, Dauerwurst, Käse, Brot, Bier, Schnaps  – alles unge- kocht und gegen die Vorschrift. Das ist nicht etwa Mut, sondern Unbildung.76 milation« musste es sich um Ein Wunder der Dressur handeln : »Wie wird aus’m Shylock ein fescher Kommis ? Wie wird aus’m Kaiphas der Redakteur einer demokratischen Tageszeitung ? […] Wie wird aus der aussätzigen Miriam […] eine moderne Diseuse […].« (BV, Wir sind alle nette Men- schen, o.D., o.S., K11, A : Viertel, DLA). 73 Ibid. Seine eigene Tárnower Verwandtschaft thematisierte Berthold Viertel in diesem Zusammen- hang nicht, obwohl ein selbstvergessen betender Gelehrter in der Geschichte eindeutig seinem Großvater Chiel Viertel nachgebildet war. Es ist auch unklar, ob er ihnen begegnete. Viertels erste Begegnungen mit galizischen Jüdinnen und Juden fanden in der Handelsstadt Stanislau im Kar- patenvorland statt, die um 1900 einen sehr hohen jüdischen Bevölkerungsanteil hatte. In der Folge blieb er für den Rest des Krieges im südöstlichen Galizien und bewegte sich in der Gegend um den Dnjestr zwischen Halicz, Podhajce, Horozanka und Kałusz. 74 BV, Kriegstagebuch (Manuskript, Heft ohne Umschlag), o.D., o.S. [Juli bis September 1915], K18, DLA. 75 BV, Englische Übersetzung und erweiterte Fassung des Kriegstagebuchs, o.D., o.S., K18. 76 BV, Kriegstagebuch (Manuskript, Heft ohne Umschlag), o.D., o.S. [Juli bis September 1915], K18, DLA ; BV, [Halicz 1915], in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 177–178. Besonders
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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