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Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 53
Hohe Pforte umgesetzt werden. Der Kaiser sah sich daher schon am zweiten Tag nach
seiner Ankunft in Czernowitz – am 19. Juni – veranlasst, gegenüber Kaunitz in einem
Schreiben die ihm offensichtlich lästigen »differentes insinuations de la part de plusieurs
Bojars de la Moldavie et particulierement de Canti-Cuzene« dezidiert anzumerken. Der
Adel erwartete sich zwar einen gewissen Schutz gegenüber der Pforte, brachte in der
Situation des Neuverhandelns der Macht zugleich jedoch eine Reihe von Forderungen
vor.59 Die Bojaren und mit ihnen Teile der Bevölkerung hatten dabei
– begünstigt durch
die dominierende Wirtschaftsweise der Transhumanz – stets die Möglichkeit, sich ver-
gleichsweise schnell dem kaiserlichen Zugriff zu entziehen, indem sie sich in die Moldau
absetzten.60 Diese diplomatisch zum Teil heikle Situation sollte sich noch in extenso bei
den kommenden Verhandlungen um die außerhalb der Bukowina in der Moldau gele-
genen Religionsfondsgüter auswirken.
Den Schlussstein für die kirchenrechtliche Neuaufstellung des Bistums Bukowina
hingegen setzte der Kaiser bereits nach der schon erwähnten Loslösung vom Metropoli-
tanverband Jassy (1781) im Juli 1783 durch die Zuordnung der Diözese in dogmaticis et
mere spiritualibus als Suffraganbistum der Metropolie von Karlowitz.61 Eine kirchenpo-
litische Einmischung des Metropoliten von Jassy in innere Angelegenheiten der Buko-
wina war damit nicht mehr möglich. Dieser den Reformgedanken der Deckungsgleich-
heit von Staats- sowie Kirchengrenzen entspringende Akt begründete in der Bukowina
(im Verband mit der Reorganisation der Provinz insgesamt) weit mehr als in anderen
Kronländern letztlich jene Autonomie und jenes Selbstbewusstsein für die gr.-orient.
Landeskirche, die für die Identität dieser Provinz am Ende des 19.
Jahrhunderts zur ent-
scheidenden Größe heranwachsen sollte.62 Zunächst schlug Wien noch den Religions-
59 ÖSTA-HHSTA Kabinettskanzlei Bd. 27 (1783), 435, Joseph
II. a. Kaunitz, Czernowitz v. 19.VI.1783.
60 Scharr 2010, Landschaft, 184 ; Enzenberg forderte eine schnelle Einziehung des Klostervermö-
gens, da es seiner Meinung nach »keinen [sic !] Zweifel unterliegt, dass bei einer Regulirung der
Klöster die Kaluger nicht mit ihrer Barschaft, mit Vieh und Habe in die Moldau hinüber gehen« ;
der Igumen von Woronetz konnte »mit Habschaften, Vieh und Geld in die Moldau entweichen« ;
Bericht Enzenberg, 27.IV.1781 und Bericht der Landesverwaltung sowie Verständigung d. Bischofs,
v. 10.VII. bzw. 24.VIII.1782, zit. nach Wickenhauser 1890, Molda IV, 52 u. 60.
61 ÖSTA-HHSTA Kabinettskanzlei Bd. 27 (1783), 440f., Joseph II. a. Hadik, Czernowitz v. 19.VI.1783
sowie DACZ 302/1/26 HKR a. galizisches Generalkommando Nr. 3469 v. 4.VII.1783, auch bei Po-
lek 1895, Reisen, 134.
62 Die um die Wende vom 19. zum 20. Jh. geäußerte (und bis in die Gegenwart vielfach für die rumä-
nische Historiographie prägende) Sichtweise des rumänischen Historikers Nicolae Iorga, dass ›Ös-
terreich‹ das »Prestige, den kulturellen und nationalen Wert der rumänischen Kirche der Bukowina«
damit ruiniert hätte, ist zwar aus dem Blickwinkel des zeitgenössischen nationalstaatlichen Denkens
nachvollziehbar, sie blendet jedoch einseitig die in dieser Zeit erreichte Autonomie der Bukowiner
orthodoxen Kirche und den davon nicht zu trennenden wirtschaftlichen Erfolg des gr.-orient. Reli-
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439