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Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 87
maliges Kirchengut – kamen 1790 75 Familien, verteilt auf acht Kolonien zur Ansied-
lung.154 Zur Finanzierung der desolaten Staatsfinanzen ließ Wien 1811/12 Teile der
Religionsfondsbesitzungen, vorwiegend in den fruchtbareren und landwirtschaftlich
ertragreichen Gebieten der nordöstlichen Bukowina155, veräußern. Das führte mithin
zur später so deutlichen Dominanz der Forstwirtschaft innerhalb des Religionsfonds.
Bis zur Regulierung der Fondsmittelverwendung durch einen allerhöchsten Be-
schluss von Kaiser Franz I. (Troppau 12.XII.1820) betrachtete die Lemberger Verwal-
tung den Fonds
– was den Aspekt des Eigentums angeht
– als öffentliches Gut.156 Letztlich
setzte erst mit der Märzverfassung von 1849 jener Prozess ein, der das durch den Reli-
gionsfonds administrierte Kircheneigentum (das es theoretisch auch immer geblieben
war) wieder schrittweise in dessen Verfügungsgewalt – wenngleich mit Einschränkun-
gen – zurückführte. Wie allerdings noch zu zeigen sein wird, war damit die Eigentums-
frage bzw. vor allem die Frage der Verfügungsgewalt darüber keineswegs geklärt. Sie
sollte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch Gegenstand von zum Teil heftig
geführten Diskussionen in der Bukowina werden.
Einmal abgesehen von der lobenden Einschätzung des Zeitgenossen Raimund
F. Kaindl formten die Diözesanregulierung, der Güteraustausch mit der Moldau und
die Einrichtung des gr.-orient. Religionsfonds einerseits eine hochkomplexe Thema-
tik. Letztere ermöglicht einen Einblick in das diskursive Verhältnis von Reformwillen,
Verwaltungspraxis und realem Umsetzungsspielraum vor Ort. Hier waren die Wiener
Behörden in ihren Entscheidungsprozessen nicht nur vom eigenen Wollen (und zeit-
weilig wohl auch Unvermögen) abhängig ; ganz im Gegenteil, sie mussten diese jeweils
in Einklang mit einer sich stetig ändernden Außenpolitik, den wechselnden Befindlich-
keiten an der Hohen Pforte oder am Hof des Fürsten der Moldau in Jassy bringen. Dass
dabei praktisches Wissen und Verständnis um andere Herrschaftsformen jenseits der
Grenze nach wie vor gering waren, zeigen nicht nur die langwierigen und ebenso wider-
sprüchlichen Verhandlungen um den Verkauf der betroffenen in der Moldau gelegenen
Bukowiner Klostergüter an Baron Mustazza. Andererseits war es gerade der Einsicht
lokaler, aus der Bukowina selbst stammender, jedoch bereits in Wien ausgebildeter lo-
yaler Beamter, wie wir in der Person Basilius Balsch ein Paradebeispiel dafür finden, zu
154 Fratautz (Nr. 191) 16, Satulmare (Nr. 201) / Itzkany (Nr. 229) / St. Onufry (Nr. 130) / Arbori (Nr.
197) u. Milleschoutz (Nr. 200) jeweils 8, Tereblestie (Nr. 137) 7 u. Illischestie (Nr. 241) 12 Familien ;
Bericht der k. Domainen Zentral Hofbuchhaltung, Wien v. 1.X.1790, ÖSTA-FHKA galiz. Domänen
Nr. 108 Fasz. 10 Juli-Dez. 1801, fol. 864–871v ; vgl. dazu Scharr 2010, Landschaft, v.a. Kapitel
7.3.2. (Kolonisation aus dem Reich).
155 Ostra, Banilla, Zamostie, Cabeştie, Pleschnitza, Crişeiatec, Luca şi Banin ; die Schreibweise der Ort-
schaften entspricht, soweit dort vorhanden, jener in Tab. 4 ;
156 Neşciuc 1893, Istoria, 20.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439