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124 Die Institution: Struktur & Werte
Punkte an. Diese sind unbedingt vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Situation
in der Bukowina zu sehen und stehen zudem untereinander in einem engen, sich gegen-
seitig beeinflussenden Verhältnis : erstens
– eine unumstritten hierarchisch organisierte
Kirchenführung ausgehend vom Bischof sowie eine den politischen Provinzgrenzen
entsprechende Organisation der Diözesen ; zweitens – eine klare Zuordnung des Re-
ligionsfonds, widmungsgemäß und ausschließlich für die Bedürfnisse der Bukowina ;
drittens – die Verfügungsgewalt des Bischofs darüber sowie – viertens – eine drohende
Gefahr nationaler Spaltung des Kronlandes (im Hinblick auf den ruthenischen Bevölke-
rungsanteil innerhalb der orthodoxen nicht unierten Kirche der Bukowina).
Während die Demokratisierungsversuche innerhalb der nicht unierten Orthodoxie
Siebenbürgens durch Andrei Schaguna zielgerichtet eine Stärkung aller Rumänen auf
Basis nationaler Gleichberechtigung und gegen die voranschreitende Magyarisierung be-
absichtigte, hätte aus der Sicht Hackmanns eine kirchliche Vereinigung und eine damit
zusammenhängende Laisierung der Hierarchien »den sorgsam gehüteten Hausfrieden
in der Bukowina« erheblich gestört.39 Ein Kirchenkongress, wie ihn Schaguna verstand,
hätte die Beteiligung von Laien an entsprechender Stelle vorausgesetzt, jedoch gleich-
zeitig in einer polyethnisch verfassten Religionsgemeinschaft wie der orthodoxen Kir-
che der Bukowina unweigerlich zu einer Nationalisierung der Konfession und damit in
Konsequenz schlimmstenfalls zur Spaltung geführt. Letzteres sollte sich Jahrzehnte später
bestätigen. Zudem teilte sich die ruthenische Volksgruppe der Bukowina auf zwei – al-
lerdings nicht in einem vergleichbaren Verhältnis wie die Rumänen Siebenbürgens
– Be-
kenntnisse auf : in ihrer überwiegenden Mehrheit auf die gr.-orient. Kirche und in einer
sehr viel kleineren Minderheit (vorwiegend aus Galizien-Lodomerien Zugewanderter)
auf die gr.-kath. (unierte) Kirche Brester Union. Gleich mehrfach äußerte sich daher
Hackmann, mitunter auch emotional, gegen die angestrebte Laienbeteiligung :
Näher angesehen, ist das keine constitutionelle Verfassung, wie sie heutzutage in Österreich
besteht, denn wer wäre hier der andere gesetzgebende Factor, da der Bischof bloss Präses ist.
Diese Verfassung ist nichts mehr, nichts weniger als Calvins republikanische. Und da die Lai-
envertretung um das doppelte grösser ist als die der Geistlichen, so wird bei dieser Verfassung
die Herde die Hirten weiden.40
Die nationalen Reibungen und Kämpfe, welche seit vierzehn Jahren bereits die gr. orient. Kir-
che in Österreich bewegen und das Band ihrer äußeren Einheit zu zerreisssen (sic !) drohen,
sind nicht ohne aufregenden Eindruck auf die zwei verschiedenen nationalen Elemente der
39 Turczynski 1976, Konfession, 255–257.
40 Hackmann 1864/1899, Sendschreiben, 112, ebenso 4.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439