Seite - 127 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Bild der Seite - 127 -
Text der Seite - 127 -
Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 127
eigene Metropolie für jede Provinz, d.h. eben auch für das Kronland Bukowina.50 Aus
dieser Logik heraus betrachtet – so Hackmann weiter – bestünde de facto bereits eine
Art von Metropolie, da Czernowitz die Hauptstadt (Metropolis) eines neuen Kronlandes
sei. Mehr noch, eben weil der Bukowiner Klerus »seinem wahren Metropoliten, der in
der Moldau wohnt, aus wohlbegreiflichen politischen Gründen nicht unterstehen darf
[… und] die Bukowiner Diöcese bekanntlich eine Tochter der Metropolie Moldaus ist«,
wäre diese Forderung logisch gerechtfertigt.51 Ein zugegebenermaßen ambivalentes
Interpretationsmuster, dessen »wohlbegreifliche politischen Gründe« klar auf die jose-
phinische Kirchenordnung52 verweisen, die Hackmann als Teil der gültigen Verfassung
nicht nur akzeptierte, sondern loyal vertrat, wenngleich der Hinweis auf den »wahren
Metropoliten« frühere – jedoch ebenfalls legitime – Loyalitäten damit nicht in Abrede
stellte. Schaguna deutete allerdings Ethnos auf gegensätzliche und weniger an den Raum
gebundene Weise mit ›Volk‹, ›Nation‹ und ›Stamm‹, was wiederum ein Argument für
eine vereinte rumänische Metropolie lieferte : »Wir Romanen aus Siebenbürgen, Banat
und Ungarn wollen die Wiederherstellung unserer alten Metropolie.«53 Den nicht ganz
unberechtigten Einwand der Bukowiner Laien, wonach die »Creierung von zwei Met-
ropolien auf Grund des Nationalitätenprinzips und einer dritten ohne jedwede Rück-
sicht auf Nationalität [also dreier Partikularkirchen : eine serbische, eine rumänische in
Siebenbürgen und eine in der Bukowina ; Anm. K.S.] aber schon von vornherein einen
Widerspruch« in sich führe, ließ Hackmann unbeachtet.54 Die rumänischen Eliten der
Bukowina fühlten sich mit der Entscheidung von Karlowitz, die Diözesen getrennt zu
lassen, geradezu in ihrem ursprünglichen Vorhaben bestätigt : »Carlowicz ist theilweise
ein kirchliches Frankfurt geworden, und das laute Zeugniß der Kirche, daß sie sich nicht
aus und durch sich selbst regenerieren könne, ruft unwillkürlich die Laienwelt ihr zur
Hilfe«.55 Noch 1866 berichtete der Ausschuss des Bukowiner Landtages zur Kirchen-
autonomie unter Bezug auf die Erhebung des Bistums Hermannstadt zur Metropolie :
»Umso schmerzlicher muß es dieses stets getreue Kronland empfinden, daß seine Di-
öcese allein von der Wohlthat der Wiedergeburt der gr. or. Gesamtkirche nicht berührt
–
sondern außerhalb der Bereiche der kanonischen Sazungen (sic !), in derselben vorge-
zeichneten Richtung belassen wurde«. Der Ausschuss sah darüber hinausgehend in die-
50 Hackmann 1864/1899, Sendschreiben, 138f.; Motivarea propunerilor episcopului Bucovinei Euge-
nie Hacman la sinodul din Carloviţ, Karlovitz, 2./14.IX.1864, abgedruckt in Puşcariu 1900, Metro-
polia, 252–285, hier 253 ; auch Schneider 2005, Metropolit, 12 u. 169.
51 Hackmann 1864/1899, Sendschreiben, 109 u. 120, 138f.
52 Vgl. Kap. 3 (Aspekte des Josephinismus).
53 Schaguna 1863, Anthorismus, 117.
54 Styrcza et al. 1864, Einigkeitsruf, 15.
55 Styrcza et al. 1864, Einigkeitsruf, Vorwort.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439