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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 161
nend für die gegenseitigen Ängste in dieser aufgeladenen Stimmung. Als Vorstand der
Czernowitzer Rus’ka Besida – eines ruthenischen Kulturvereins – hätte der Kathedral-
prediger eine »Gefahr für die gr.-or. Kirche heraufbeschworen«. Darin bahnte sich aus
der Sicht von Morariu-Andriewicz ein Zusammengehen mit den Unierten an. Diese
Anschuldigungen wies das Konsistorium jedoch als gegenstandslos zurück.161
Damit hatte Morariu-Andriewicz schließlich in mehrfacher Weise klar den histori-
schen Führungs- und Verfügungsanspruch der rumänischen Bevölkerungsgruppe in
der Bukowina formuliert, jedenfalls aber innerhalb der gr.-orient. Landeskirche dafür
sichtbar einen politischen Raum geschaffen. Die Forderung nach Einführung des Ru-
mänischen als gleichberechtigte Debattensprache im Bukowiner Landtag hatte Morariu-
Andriewicz schon im Jahr zuvor erhoben.162 Zugleich bekräftigte diese Haltung seine
Fundamentalopposition zu Hackmann :
Man sagt, die Bukowina sei ein Oesterreich in Miniatur. Ich gebe dies vollständig zu. Da sind
neben der Stammbevölkerung des Landes romanischer Nationalität und griechisch-orientali-
schen Cultus mehrere Zungen und Confessionen des Reiches vertreten. Es wäre aber, meine
Herren, zu wünschen, daß die Romanen und die griechisch-orientalische Kirche als nationale
und confessionelle Minorität im Reiche so betrachtet werden und sich so wohl befinden mö-
gen, wie die nationalen und confessionellen Minoritäten in der Bukowina, einem mit dem
Glanze der Civilisation nicht prunkenden Lande sich befinden […]. Und wie kränkend dieses
für eine Kirche ist, welche den größten Theil der Bevölkerung des Landes, einen selbstbewuß-
ten Clerus, den Kern der Intelligenz und die Familen [sic !] des Adels in ihrem Schoße zählt,
das läßt sich, meine Herren, leicht denken, aber nicht so leicht aussprechen.163
Sowohl dieses eigenständige politische Agieren von Morariu-Andriewicz als auch seine
deklariert national-rumänische Position verschärften den ohnedies bereits seit Jahren
anhängigen Konflikt mit dem Bischof, der sich ausdrücklich gegen einen Kirchenkon-
gress positioniert hatte. Hackmann musste als Kirchenoberhaupt in einer erweiterten
Autonomie und den damit unweigerlich einhergehenden Forderungen nach Laienbe-
teiligung seine umfassenden Rechte als Hierarch gefährdet sehen. Aus der bischöflichen
Perspektive hätte die Nationalisierung der Kirche dadurch zusätzlich an Fahrt aufge-
161 DACZ 320/3/4, fol. 52–95 u. 101 ; Wasile Prodan an Konsistorium v. 10./22.II.1871 ; sowie Be-
schlussfassung Konsistorium v. 10./22.V.1873
162 Sitzung des Bukowiner Landtages v. 21.X.1869 ; nach Găina 1907, Arhiepiscopul, 11.
163 StenoProt, Abgeordnetenhaus, 15. Sitzung, 5. Session, 28.I.1870, 299 (Rede Abgeordneter Andrie-
wicz).
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439