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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 175
Rumäne geboren und als Deutscher erzogen«.221 Indes sollte die praktische Umsetzung
der im kaiserlichen Wahlspruch Viribus Unitis symbolisch ausgedrückten Einigkeit den
orthodoxen Erzbischof noch vor große Schwierigkeiten stellen. Er hatte eine Diözese
übernommen, in der die nationalen Gegensätze zwischen den Ruthenen und Rumänen
stetig anwuchsen. Die parteipolitische Instrumentalisierung der weitgehend bäuerlichen
Bevölkerung des Kronlandes begann in zunehmendem Maße von verschiedenen Seiten
her um sich zu greifen. Bald sollte das auch der Metropolit zu spüren bekommen.
Vorerst jedoch bedachte ihn die Bukowiner Öffentlichkeit anlässlich seines 1897 ge-
feierten 50-jährigen Priesterjubiläums noch mit Vorschusslorbeeren : »Das Jubelfest des
ersten Priesters der Bukowina«
– so die Bukowinaer Post in ihrem Leitartikel
– sollte »in
eminenter Weise ein Friedensfest des Landes werden« und dem Erzbischof »Zeit gön-
nen, das schöne, echt priesterliche Ziel in seiner Diöcese zu verwirklichen, daß in der-
selben nur gr.-or. Gläubige vorhanden sind, ohne Unterschied der Nation«.222 Die nach-
träglich verschiedentlich negative Einschätzung seiner vergleichsweise kurzen Amtszeit
erscheint parteiisch und vor allem vom Ende her gedacht. So beschreibt ihn etwa Erich
Prokopowitsch als einen »kränklichen und initiativlosen Greis«223, und Nicolae Iorga,
der Doyen der rumänischen Historiographie, erachtete Czuperkowicz als Nachfolger
von Morariu-Andriewicz auf dem Metropolitenstuhl geradezu als unwürdig.224 Die
schwierige Ausgangssituation, mit der sich Czuperkowicz wie später auch Wladimir v.
Repta in der Bukowina konfrontiert sahen, wird dabei keineswegs in ausreichendem
Maße berücksichtigt.
Auf dem weiten Feld des nationalen Zwists innerhalb der Bukowiner gr.-orient. Di-
özese nahm der Religionsfonds als wirtschaftlich potente Landesinstitution eine pro-
minente Stellung ein. Obwohl im Zentrum des z. T. heftig geführten Diskurses zur
»griechisch-orientalischen Kirchenfrage« (so eine regelmäßige in den Czernowitzer
Tageszeitungen erscheinende Rubrikbezeichnung) die Frage um den Zugriff auf das
Fondsvermögen stand, wurde in der breiteren Öffentlichkeit zumeist die jeweils von ru-
thenischer wir rumänischer Seite mit unterschiedlichen Begründungen eingeforderte
221 »Arcadie reprezintă tipul adevărat al vechiului bucovinean, născut român şi crescut nemţeşte« ;
Nistor 2003, Istoria, 137.
222 Bukowinaer Post Nr. 609 v. 7.XI.1897, 1, 50 Jahre Priester.
223 Prokopowitsch 1965, Nationalbewegung, 81 ; Iorga 1938, Românismul, 114.
224 »[…] succesorul lui fu, din pricina bătrâneţelor şi a nedestoiniciei lui absolute, Arcadie Ciuper-
covici, care n’a avut niciodată curagiul să vorbească despre partea, încă naţională, a eparhiei sale.«
[(…) Zum Nachfolger wurde aus Gründen der Seniorität und seiner absoluten Unfähigkeit Arcadie
Ciupercovici, der niemals die Courage aufbrachte, über diese Sache noch das Nationale seiner Di-
özese zu sprechen] ; Repta hingegen bezeichnete Iorga als einen der gebildetsten Rumänen ; Iorga
1938, Românismul, 114f.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439