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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 177
len würden, sobald die »genetische Scheidewand zwischen der Bukowina und Galizien«
nur beseitigt wäre, bestärkte diese Haltung.230 Die Diözesanverwaltung gab sich folglich
gegenüber derlei Strömungen besonders hellhörig und versuchte ihre Priesterschaft ent-
sprechend anzuweisen.231 Innerhalb der ruthenischen Nationalbewegung der Bukowina
zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Spaltung der verschiedenen politischen
Interessen ab. So intervenierten etwa die »konservativen Ruthenen gr.-or. Confession«
(Altruthenen) beim Erzbischof gegen eine Berücksichtigung der Jungruthenen bei der
Mandatsverteilung zum Landtag.232 Durch das geltende Kurienwahlrecht konnte der Re-
ligionsfond als Großgrundbesitzer über das gr.-orient. Konsistorium Mandate vergeben.
Diese streckenweise aufgeladene und emotionale Stimmung griff die oftmals partei-
isch agierende Presse der Landeshauptstadt bereitwillig auf. Durch ihren Zugang zur
Öffentlichkeit schürte sie damit das Feuer der Zwistigkeiten zusätzlich.233 Dabei über-
nahm im Spiel der politischen Interessen und der Öffentlichkeit die von Moritz Stekel
herausgegebene Bukowinaer Post eine nicht unwichtige Rolle. Diese Tageszeitung voll-
zog um die Wende zum 20. Jahrhundert einen deutlichen politischen Schwenk, von ei-
nem pro-rumänischen hin zu einem dezidiert pro-ruthenischen Kurs, was vor allem mit
dem wachsenden Einfluss eines ihrer Eigentümer und hauptsächlichen Financiers, N.
v. Wassilko, zu erklären ist.234 Letzterer hatte sich, ursprünglich aus dem rumänischen
Lager kommend, zunächst den Alt- und schließlich den Jungruthenen der Bukowina
zugewandt, zu deren politischem Führer er in der Folge aufsteigen sollte.
So löste denn auch die Ernennung gleich zweier Ruthenen – Eugen Kozak (1857–
1933) und Dionys Jeremijczuk235
– zu ordentlichen Universitätsprofessoren an der theo-
230 Morariu-Andriewicz 1885, Apologie, 4.
231 DACZ 320/3/67, Landesregierung an Consistorial-Archimandrit v. 8.V.1895, worin die Behörde
vor dem »bekannten panslavischen Agitator Gregor Kupczanko« warnt, ihre »Pfarrlinge von jedem
Verkehre mit demselben [i.e. Kupczanko ; Anm. K.S.] durch entsprechende Belehrung abzuhalten« ;
DACZ 320/3/67 Präsidium gr.-orient. Consistorium v. 29.IV./11.V.1895, Rundschreiben an Pfarren.
232 DACZ 320/3/87, fol. 56f. Centralwahlcomite der konserv. Ruth. gr.-orient. Confession an Erzbi-
schof v. 4.II.1897.
233 »Weit reichte die Dreistigkeit der von Dr. Stocki und des von ihm verführten Pihuliak geleiteten
jungruthenischen Clique, allein daß diese es wagen würde, jeden Seelsorger, der nicht in ihr Horn
bläst, sofort zum Rumänisator zu stempeln« ; Bukowinaer Post Nr. 705 v. 23.VI.1898, 1, Die Jungru-
thenen und die gr.-orth. Kirche ; vgl. dazu auch die Studie von Moroşan 2005, Lupta. Letzterer
streicht
– teilweise aus fehlender kritischer Distanz und nicht ganz frei von nationaler Perspektive
–
besonders die, aus seiner Sicht, bewusste Bevorzugung des ruthenisch-deutschen Elementes durch
die österreichischen Behörden und die Haltung der von ihm untersuchten Periodika heraus ; ebd. 15.
234 Corbea-Hoişie et al. (Hg.) 2012, Prolegomene, 224–231.
235 Kozak war seit 1899 Professor für Kirchenslawische Sprache und Literatur in Czernowitz ; zu Jere-
mijczuk lassen sich keine näheren biographischen Angaben finden.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439