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178 Die Institution: Struktur & Werte
logischen Fakultät heftige Gegenwehr der rumänischen Seite aus, die mehr und mehr
alle kirchlichen Angelegenheiten als ihr ureigenes, nationales Terrain betrachtete. 1896
hatte das Kultusministerium eine ordentliche Lehrkanzel für praktische Theologie mit
ruthenischer Vortragssprache an der Alma Mater Franciso Josephina freigegeben bzw.
systemisiert.236 Besetzt wurde die Professur im März 1899 mit dem bisherigen Gymna-
sialkatecheten Dionys Jeremijczuk. Die Bukowinaer Post vertrat in diesem Fall noch den
grundsätzlichen Standpunkt, dass die gr.-orient. Kirche »nach ihrer Geschichte eine ru-
mänische Kirche« sei. Sie bezeichnete den Erzbischof und den amtierenden Landesprä-
sidenten Friedrich Bourguignon237 als dezidierte Ruthenenfreunde.238 Jeremijczuk sei
mithin auf Betreiben Smal-Stockyjs »ohne wissenschaftliche Eignung […] mit rasender
Eile zum Universitätsprofessor für die gr.-or. Theologie befördert worden«.239
Noch ein Jahr zuvor, zu Pfingsten, schlug der Landtagsabgeordnete Hierotheus Pihu-
liak (1851–1924)240 anlässlich einer Volksversammlung, die beim ruthenischen Natio-
nalhaus in Czernowitz ihren Ausgang genommen hatte und dann im Musikvereinssaal
tagte, andere Töne an. Ein Leitartikel der ruthenischen Zeitung Буковина [Bukowina]
druckte die Ansprachen der Hauptredner Pihuliak und Smal-Stockyj in voller Länge
ab.241 Letzterer erhob insbesondere die Forderung einer Öffnung der Wahlkurien, so-
dass endlich auch die bäuerliche Bevölkerung eine angemessene Vertretung im Land-
tag wie im Wiener Reichsrat bekommen könne. Dabei zeigte sich deutlich die soziale
(und nationale) Dimension dieses politischen Anliegens sowie die schon erwähnte
Rolle des Religionsfonds, mithin der gr.-orient. Kirche, als größtem Grundbesitzer des
Kronlandes. Zwischen den Zeilen der Kritik versteckte sich darüber hinaus ein gezielt
angebrachter Unterton gegen die jüdische Bevölkerung der Bukowina, die gemeinhin
in ihrer Form als Pächter (von Religionsfondsgütern) und damit als Ausbeuter der Bau-
ern adressiert wurde.242 Ein entsprechendes Memorandum sollte dem Kaiser vorgelegt
werden. Die eigenen Bauern hingegen forderte man auf, dem Verein Rus’ka Rada, der
236 Erlass Ministerium für Cultur und Unterricht v. 24.XI.1896, Zl. 28.772 ; nach Akademischer Se-
nat (Hg.) 1900, Universität, 52.
237 Bourguignon vertrat zwischen 1897 und 1903 als Landespräsident die Interessen des Kaisers bzw.
der Wiener Regierung in der Bukowina.
238 Bukowinaer Post Nr. 834 v. 27.IV.1899, 5, Zum Falle Jeremijczuk.
239 Bukowinaer Post Nr. 857 v. 25.VI.1899, 2, Smal-Stockis jüngste That.
240 Rum. Ierotei Pihuleac, Mitglied der Nationaldemokratischen Partei, Abgeordneter zum Landtag
der Bukowina (1890–1918) und zum Reichsrat (1898–1918) ; nach Satco 2004, Enciclopedia, 213.
241 Буковина Nr. 62/63 v. 27.V./8.VI. und v. 29.V./10.VI.1898, Народне вiче в Чернiвцах [Die natio-
nale Volksversammlung in Czernowitz], nach einer Abschrift im DACZ 320/3/4, fol. 124–151.
242 Dieser antisemitische Unterton beschränkte sich freilich nicht ausschließlich auf die Vertreter der
Jungruthen (etwa bei Pihuliak), sondern dieser Stimmung bediente sich in gleichem Maße auch
die rumänische demokratische Bewegung unter Aurel Onciul ; vgl. seinen Artikel in Die Wahrheit
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439