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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 183
Kircheninnenpolitisch hatten beide Politiker offensichtlich bereits den Versuch gestartet,
den gr.-orient. Bischof von Zadar, Dr. Nikodim Milaš (1845–1915)257, für ihre Sache
einzunehmen und ihm ebenfalls, anlässlich der Weihe von Repta zum Bischof von Ra-
dautz, ein Memorandum übermittelt. Die Bukowinaer Post – zu diesem Zeitpunkt in
ihrer Blattlinie noch eine radikale Gegnerin der jungruthenischen Bewegung – beant-
wortete diesen Vorgang mit einem geharnischten Leitartikel unter dem Titel »Sursum
Corda !« [Hoch die Herzen !]. Dabei scheute sie sich nicht, darin zeitgleich die (ohnedies
zahlenmäßig wenigen) Unierten des Kronlandes anzugreifen. Diese vorwiegend aus
dem benachbarten Kronland Galizien-Lodomerien in die Nordbukowina eingewan-
derten Ruthenen empfand die Orthodoxie – nicht zuletzt wegen einiger spektakulärer
Kirchenübertritte während der Amtszeit von Morariu-Andriewicz – als regelrechte Ge-
fahr für die Landeskirche. Rumänische Kreise befürchteten daher, die Bukowina würde
seitens der Wiener Regierung als Kompensation für die Ruthenen und ihre unerfüllten
Erwartungen im benachbarten Galizien herhalten müssen.258
Wir tangiren ungern Familienverhältnisse, aber wenn wir sehen, daß Männer, wie Pihuliak und
Philippowicz259, beide gr.-orthodox, aus reinster Liebe und Anhänglichkeit zur Orthodoxie
ihre Sprößlinge griechisch-katholisch oder katholisch taufen lassen, weiters wie Dr. Stocki und
Landesgerichtsrath v. Jasieniecki, beide ausgesprochene Partisanen der unirten Confession, si-
cher hervordrängen, um die griechisch-orthodoxe Kirche vor ihrem Untergange zu wahren,
wenn wir sie im dauernden Umgange mit Dr. Milas wissen, diesen sich von ihnen über die Ver-
hältnisse der Kirche, der er angehört, der aber seine Bukowinaer Zuträger durch ihr Verhalten
den Rücken kehren, informiren lassen, dann müssen wir uns fragen, ist denn Dr. Milas hierher
gekommen, um über Metropolit und Consistorium zu Gericht zu sitzen und allen jenen, bis
zum Ekel wiedergekäuten, unwahren Beschwerden, die in dem jüngsten ruthenischen Pamph-
lete, das sich ›Memorandum‹ betitelt und die Unterschriften der beiden Ueberläufer Nikolaj
v. Wassilko und Hierotheus Pihuliak trägt, bischöfliches Gehör zu schenken […] Wir cons-
tatieren, daß in der gr.-or. Priesterschaft es zwischen Rumänen und Ruthenen, insofern die
Interessen der Orthodoxie in Frage kommen, keine Differenzen bestehen und blicken frohen
Muthes in die Zukunft, weil wir der Zuversicht leben, daß es gerade dem geeinten Priester-
257 Milas (auch Nikodim Milaš) war seit 1890 Bischof von Dalmatien mit Sitz in Zadar, das als Suf-
fraganbistum zur Metropolie von Czuperkowicz gehörte. Er zählte seinerzeit zu den führenden
Experten für ostkirchliches Recht.
258 Nistor 2003, Istoria, 149.
259 Direktor der Bukowiner Landeskrankenanstalten, kandidierte im August 1903 für die Jungruthe-
nen.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439