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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 205
entsprechenden Forderungen und dem klaren Bekenntnis zum rumänischen Charak-
ter der Bukowiner Landeskirche nach Wien entsandt werden.349 Gedruckte Publikatio-
nen der politischen Akteure sowie Meinungsäußerungen zur Stellenvergabe bedienten
dabei regelmäßig die Öffentlichkeit. Argumentationslinien und Beweisführung zum
jeweils eigenen, historisch scheinbar gerechtfertigten Standpunkt der einzelnen politi-
schen Gruppierungen änderten sich im Vergleich zu den vorangegangenen Diskussio-
nen allerdings kaum. Diese reichten von der bekannten Forderung nach einer Teilung
der Diö zese350 über die These der allmählichen Ruthenisierung der gr.-orient. Landes-
kirche351 hin zur Verteidigung des Status quo.352 Eine Territorialaufteilung der Diözese
in einem gemischt bevölkerten Gebiet wie der Bukowina hätte nur zu absehbaren Folge-
problemen geführt, wovor bereits die Zeitgenossen eindringlich warnten. Zudem hegten
die Rumänen nach wie vor die Befürchtung, dass sie mit der zu erwartenden demogra-
phischen Verschiebung letztlich von einer ruthenischen gr.-orient. Landeskirche ›be-
herrscht‹ werden könnten.353
Das Kultusministerium entschied sich diesmal jedoch für den Ruthenen Artemon
Manastyrski als Generalvikar. Wien wollte dabei auch in Richtung der rumänischen
Fraktion ein Zeichen setzen und ernannte Eusebius Popowicz zum Vikar ad personam.
Beide Konsistorialarchimandriten waren als Stellvertreter des Erzbischofs gleichgestellt.
Ebenso
– und darauf legte Wien besonderen Wert
– sollten diese Stellen auch in Zukunft
im nationalen Proporz besetzt werden, »daß stets einer der Konsistorial-Archimand-
riten ein Bukowiner Rumäne, der andere ein Bukowiner Ruthene zu sein hat«.354 Das
veranlasste die diesmal ›leer‹ ausgegangene rumänische Seite zur lapidaren Feststellung
»deci Ruteni cu putera, Românii cu cinstea« [also den Ruthenen die Macht, den Rumä-
nen die Ehre].355 Eine eilig in die erzbischöfliche Residenz nach Czernowitz einberu-
fene Versammlung des rumänischen Klerus konnte sich mit dem Entschluss der Regie-
349 Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 2453 v. 27.III.1912, 1, Die Kirchenfrage. Das rumänische Mee-
ting.
350 Pihuliak 1913, Kirchenstreit ; ders. 1914, Kirchenfrage. Eine Klarstellung durch Eusebius Popo-
wicz in Bezug auf die Vorwürfe von Pihuliak in der Reichspost wollte dieselbe Zeitung nicht ab-
drucken. Daraufhin veröffentlichte die Czernowitzer Allgemeine Zeitung diese klärende Gegenmei-
nung ; Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 3322 v. 30.XI.1913, 1, Zur gr.-or. Kirchenfrage.
351 Ştefanelli 1912, Chestiunea.
352 Popovici 1913, Kirchenfrage.
353 Hormuzachi 1913, Chestia, 1 u. 5. Konstantin Hormuzachi hatte schon mehr als zehn Jahre zuvor
vor einer schleichenden Slawisierung der Bukowina gewarnt ; Hormzuaki 1900, Slawisierung.
354 DACZ 320/3/86 Landespräsidium an Erzbischof v. 3.VII.1914, allerhöchster Entschluss v.
11.IX.1913, hier fol. 37.
355 Cândea 1924, Mitropolitul, 13 ; Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 3225 v. 4.X.1913, 1, Zur gr.-or.
Kirchenfrage. Die Beschlüsse der gestrigen Priester-Versammlung.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439