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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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Page - 159 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 159 keine Phrase gewesen. Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige Folge sein«.573 In den darauffolgenden Tagen sei der Kreis der Einge- weihten allmählich ausgeweitet worden. Bis dahin  – so die These Gerlachs  – sei das Los der reichsdeutschen Juden (im Gegensatz zu dem der Juden in den besetzten Ge- bieten, mit deren Vernichtung bereits kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion begonnen worden war) noch nicht entschieden gewesen.574 Am 18. Dezember  – ein weiteres Datum aus Himmlers Dienstkalender  – habe Hitler dem Reichsführer den ausdrücklichen Befehl erteilt, alle Juden »als Partisanen auszurotten«.575 (Mit Partisanen waren jetzt nicht mehr, wie bisher, solche in den besetzten Gebieten gemeint, sondern  – als imaginierte Teilnehmer im »Weltkrieg«  – Juden als Partisanen im eigenen Land.) Ein weiteres Indiz für die These Gerlachs ist die Verschiebung der für Anfang Dezember geplanten (Wannsee-)Konferenz um gleich sechs Wochen auf den 20. Januar 1942. Das Protokoll der Wannsee-Konfe- renz gilt seit den Nürnberger Prozessen als wichtigstes Beweisstück zum geplanten, systematischen Genozid an den europäischen Juden.576 In jüngster Zeit wurde das enigmatische Dokument in seiner Bedeutung allerdings eher herabgestuft. Tatsäch- lich sei es bei der Wannsee-Konferenz nur mehr um die Einbindung der Spitzen der Bürokratie gegangen, um »Parallelisierung der Linienführung« (Heydrich), um Ein- haltung der sprachlichen Codes sowie insbesondere um die Frage der Einbeziehung der Mischlinge ersten und zweiten Grades und der Juden in privilegierten Ehen  – die eigentliche Entscheidung zur Ermordung der, nach den Berechnungen Adolf Eichmanns, etwa 11 Millionen Juden (jetzt einschließlich der reichsdeutschen), sei zu diesem Zeitpunkt längst gefallen gewesen.577 Einen urkundlichen Beweis für seine Theorie legt allerdings auch Gerlach nicht vor. Auch er vermeidet  – und das ist ein Spezifikum der Debatte  – den Begriff 573 Elke Fröhlich (Hg.) : Die Tagebücher von Joseph Goebbels (29 Bände), Band 2, Teil II, bearbeitet von Angela Hermann (Berlin 2004), S.  498f, Eintragung unter dem 13.12.1941. 574 Gerlach, Wannseekonferenz, S.  143. 575 Gerlach, Wannseekonferenz, S.  116. 576 Mark Roseman nennt es »a deeply mysterious document«, the »Rosetta stone of Nazi murder«. Mark Rosemann : The Villa, the Lake, the Meeting. Wannsee and the Final Solution (London 2002), S.  2. Dan Diner spricht vom »absoluten Genozid«, im Sinne eines »grundlosen, jenseits von Vernunft und Selbsterhaltungswillen« geplanten Völkermords. Dan Diner : »Über die Not des Vergleichs. Über Holocaust, Genozid und andere Massenverbrechen.« Beitrag zur Internationalen Tagung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften »Diesseits und jenseits des Holocaust. Aus der Ge- schichte lernen in Gedenkstätten«, am 15. September 2011 in Wien. 577 Gerlach, Wannseekonferenz, S.  125ff. Mark Roseman spricht davon, dass es Heydrich darum ge- gangen sei, so etwas wie shared complicity zu etablieren, insofern habe sich das Wannsee-Protokoll für einige der Protagonisten später als Falle erwiesen. Roseman, The Lake, S.  87.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Subtitle
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Author
Hannelore Burger
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
292
Keywords
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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