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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Page - 112 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)

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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932112 kommene Gelegenheit, neben den deutschen beispielsweise auch ihre britischen Kol- legen persönlich wieder zu treffen.87 Obwohl die deutsch-österreichischen Kontakte nicht störungsfrei waren, befürwor- tete die überwältigende Mehrzahl der Akademikerinnen und Akademiker den An- schluss an das Deutsche Reich. Im Rumpfstaat Österreich sahen sie weder wirtschaft- lich noch ideell eine Zukunft.88 Der politische Zusammenschluss beider Länder war völkerrechtlich untersagt, deshalb suchten viele die Nähe zu institutionellen Wissen- schaftler-Netzwerken im Deutschen Reich. Für die Radioaktivistengemeinschaft in Österreich war die wichtigste Wissenschaftsorganisation der deutschsprachigen Physik, die schon 1845 gegründete Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), erste Anlauf- adresse. Die DPG wurde von ihren Berliner Mitgliedern dominiert, was von Mitglie- dern aus anderen, vor allem süddeutschen Gebieten schon vor dem Krieg kritisiert worden war.89 Die Diskussion, wie die DPG umzustrukturieren sei, um den Mitglie- derinteressen besser Rechnung zu tragen, wurde während des Krieges auf Eis gelegt. 1919 änderte der DPG-Vorstand schließlich die Satzung dahingehend, dass die Grün- dung von Gauvereinen erlaubt wurde. Im Februar 1920 wurde daraufhin neben ande- ren Regionalvereinen der Gauverein Wien gegründet.90 Auf dem ersten Nachkriegskongress der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, der im Sommer 1920 in Bad Nauheim stattfand, brach der Konflikt um die Dezentralisierung der DPG erneut auf.91 Das Präsidium hatte die Mitglieder schon im Vorfeld dazu aufgerufen an dem Kongress teilzunehmen, um gemeinschaftlich über die institutionelle Neugestaltung der DPG zu beraten und abzustimmen. Der erste Nachkriegskongress der Naturforschergesellschaft bot den Teilnehmern aus Österreich Gelegenheit, ihre Interessen in der deutschsprachigen Physikerschaft zu vertreten, ob- wohl keiner von ihnen dem konservativen Führungszirkel der Gesellschaft ange hörte.92 Letztlich gelang es dem DPG-Vorstand, die »Auseinandersetzung zwischen Berlin und 87 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 294 : Meyer an Rutherford vom 25.10.1921 ; ebd., K 15, Fiche 246 : Lawson an Meyer vom 5.9.1922. 88 Vgl. KVA, ASA, Serie E1, 13 : Knaffl-Lenz an Arrhenius vom 27.12.1918 ; ebd., Serie E1, 2 : Rektor der Universität Wien an Arrhenius vom 22.2.1919 ; CAC, MTNR 5/32 : Meitner an Schiemann vom 12.11.1918. Auch in den späten 1920er Jahren befürwortete die Mehrheit der Hochschullehrerschaft Österreichs angesichts der herrschenden Zustände einen Anschluss an das Deutsche Reich. Vgl. RAC, RF, RG 12.1, Box 139, Folder 2 : W. E. Tisdale, Log of Trip to Vienna vom 27.5.1927. Siehe dazu Wein- zierl 1981, 72–73. Skalnik 1981, 99, betont die Ambivalenz zwischen Sozialisten und Alldeutschen als Anschlussbefürwortern, denen das Alt-Wiener Patriziat und das Wiener Kleinbürgertum gegenüberstand. Siehe zu den Wurzeln des Deutsch-Bewusstseins österreichischer Intellektueller Stourzh 1995b, 24. 89 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 303 : Meyer an Schweidler vom 8.4.1914. 90 Vgl. DPG 1920, 49. Siehe weiterführend Kant 2002 ; Fiedler 1998. 91 Vgl. Forman 2007, 49, 51. 92 Vgl. Wolff 2008, 381.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Subtitle
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Author
Silke Fengler
Editor
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
380
Keywords
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Categories
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Table of contents

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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