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stellung der Geschichte der ÖGL zwischen 1961 und 1975 sowie der Dokumen-
tation und Analyse ihrer Tätigkeiten auch die literaturvermittelnden Aktivitäten,
die von Kraus ausgingen (vgl. Kapitel 4.2 u. 4.3), kritisch zu beschreiben. Der
Begriff „Literaturvermittlung“ wird dabei ganz allgemein definiert, als „jede
direkt oder indirekt zwischen Autor und Leser vermittelnde Einrichtung, Unter-
nehmung oder Instanz“.32
Aus diesen Fragestellungen ergaben sich verschiedene Aspekte, die Kraus’
Funktion als Distributor und Förder- bzw. Verhinderungsinstanz von Literatur
in den Fokus rücken: Dazu zählt sowohl die Einladungspolitik der ÖGL, die in
dieser Hinsicht analysiert wird (vgl. Kapitel 3.2), als auch Kraus’ Einfluss in
Sachen Preis- und Stipendienvergaben (vgl. Kapitel 4.3.2). Inwiefern Kraus
Autorinnen und Autoren in ökonomischen Belangen, – außerhalb der staatli-
chen Förderung – behilflich war, geht die Studie ebenfalls nach (vgl. Kapitel
4.2.2).
Im Zusammenhang mit der Tätigkeit „Literaturvermittlung“ steht auch Kraus’
Rolle als Literaturkritiker und sein Auswählen, Ordnen und Bewerten von Lite-
ratur anhand ausgewählter Beispiele (vgl. Kapitel 4.1) im Mittelpunkt. Seine lite-
raturkritischen Beiträge fanden sich sowohl in wichtigen österreichischen, deut-
schen und Schweizer Zeitungen wie „Die Presse“, „Die Furche“, „Wiener Zeitung“,
„Stuttgarter Zeitung“, „Der Tag“ (West-Berlin), „Die Zeit“ und „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“, als auch in nationalen und internationalen Literatur- und
Kulturzeitschriften wie z. B. „Wort in der Zeit“, „Literatur und Kritik“, und „Mer-
kur“.
Ein weiterer Aspekt, der sich aus der Frage von Kraus’ literarischer Vermitt-
lungstätigkeit ergibt, sind die „expliziten“ und „impliziten“ Wertungen, die von
ihm ausgingen. Deshalb möchte die vorliegende Arbeit innerhalb einiger Kon-
texte untersuchen, ob von Kraus und der ÖGL Bestrebungen der Kanonisierun-
gen ausgingen (vgl. Kapitel 3.3). Denn Kanonisierung ist, wie Renate von Hey-
debrand anmerkt, ein Ergebnis vieler, einander stützender Wertungshandlungen
und „es sind vor allem die Institutionen der Literaturvermittlung, deren Wer-
tungen schließlich Kanonisierung bewirken“.33 Anknüpfend daran ergibt sich
die Frage nach der von Kraus und der ÖGL ausgehenden kulturpolitischen Moti-
vation (vgl. Kapitel 3.2, 3.3, 3.4 und 4) sowie, ob die ÖGL nicht auch „als geschickt
verlängerter Arm des Minoritenplatzes“, wo sich das Bundesministerium für
Unterricht befindet (wie dies Viktor Matejka 1962 im „Österreichischen Tage-
32 Gebhard Rusch: Literaturvermittlung. In: Ansgar Nünning (Hg.). Metzler Lexikon Literatur-
und Kulturtheorie. Ansätze, Personen, Grundbegriffe. 4. akt. u. erw. Aufl. Stuttgart, Weimar:
Metzler 2008, S. 404.
33 Renate von Heydebrand, Simone Winko: Einführung in die Wertung von Literatur. Systematik
– Geschichte – Legitimation. Paderborn, München, Zürich: Schöningh 1996, S. 222 f.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
18 Einleitung
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437