Page - 20 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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mehr oder weniger harschen Urteilen in Bezug auf Kraus deutlich geworden ist,
schon immer bezogen sind. Der Komplexität des Gegenstands soll im Interesse
der Einheitlichkeit insofern eine literaturgeschichtlich relevante Sortierung wider-
fahren.
Die Studie stützt sich auf methodologische Ansätze der polykontexturalen
(Werk-)Biographie, unter Rückgriff auf Geschichte, Literaturgeschichte und
Politik, die den Forderungen des vorhandenen Stoffes in Bezug auf Quellen und
Person am nächsten kommt.38 Alle biographischen Dokumente, Spuren und
Zeugnisse sollen in ihrer Auswertung als „Übertragungen im doppelten Wort-
sinn“ begriffen, nicht als „Ausdruck von etwas“ gedeutet, sondern vielmehr „im
Hinblick auf die Konstellation, der sie entspringen und die sie mit hergestellt
haben“,39 entziffert werden, also in einen literarhistorischen und gesellschafts-
politischen Kontext gestellt werden.
Die Studie bedient sich dabei der Anwendung einer subtileren Strategie als
der „zum Scheitern verurteilte[n] skrupulöse[n] Aufzählung aller Fakten und
Quellen.“40 Vielmehr möchte sich der Verfasser der zentralen Herausforderung
„reflektierter literaturwissenschaftlicher Biographik“ stellen, um der „biogra-
phischen Trias“ gerecht zu werden, die Autor, Gesellschaft und Werk angemes-
sen repräsentieren soll.41 Wie Christian Klein bemerkt hat, ist es dabei zunächst
unerheblich, ob es sich beim ‚Werk‘ des zu Biographierenden um „ein literari-
sches Œuvre handelt oder etwa um Handlungen im politischen Feld“, da der
Biographierte, Gesellschaft und Werk dabei „in keinem hierarchischen Verhält-
nis“ stehen, sondern in einer reziproken Beziehung, in der sich „die verschiede-
nen Elemente wechselseitig beeinflussen.“42
Um dem Werk von Wolfgang Kraus sowie seiner Person gerecht zu werden,
wird die Studie seine Handlungen und Tätigkeiten nicht isoliert, sondern viel-
mehr als „Interaktion, als Schilderung eines Austausches mit historischen Pro-
zessen“ betrachten. Unterstützt wird diese Vorgehensweise auch durch Bourdi-
eus „Habitus-Konzept“, das die „individuelle Leistung und kontextuelle
38 Vgl. Mirjana Stančić: Manès Sperber. Leben und Werk. Frankfurt/M., Basel: Stroemfeld, Roter
Stern 2003, S. 19.
39 Sigrid Weigel: Korrespondenzen und Konstellationen. Zum postalischen Prinzip biographi-
scher Darstellung. In: Christian Klein (Hg.): Grundlagen der Biographik. Theorie und Praxis
des biographischen Schreibens. Stuttgart, Weimar: Metzler 2002, S. 41–54, hier S. 47.
40 Bernhard Fetz: Zur Bedeutung der Quellen. In: Klein (Hg.): Handbuch Biographie, S. 433–437,
hier S. 435.
41 Vgl. dazu Christian Klein: Lebensbeschreibung als Lebenserschreibung? Vom Nutzen biogra-
phischer Ansätze aus der Soziologie für die Literaturwissenschaften. In: Ders.: (Hg.): Grund-
lagen der Biographik, S 69–85, hier S. 69.
42 Christian Klein: Grundfragen biographischen Schreibens. In: Ders. (Hg.): Handbuch Biogra-
phie, S. 426
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
20 Einleitung
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437