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Veranstaltungsräume eine Mangelware waren, blieben die Veranstaltungsorte
relativ eng umgrenzt: das Palais Schwarzenberg, der Brahms-Saal im Wiener
Musikverein, das British-Council auf der Freyung im ersten Bezirk, der Öster-
reichische Presseclub, der Festsaal des Palais Pallavicini am Josefsplatz, die Räu-
me der Secession und der Wiener Art-Club.53
Problematisch war die repräsentative Funktion des P.E.N.-Clubs u. a. deshalb,
weil er sukzessive durch die Polarisierung des Kalten Krieges zerrissen wurde.
Hans Weigel diffamierte die Institution immer wieder als Vorfeldorganisation
der Kommunisten, was sich vor allem auf ein Vorstandsmitglied, den kommu-
nistischen Politiker und Schriftsteller Ernst Fischer, bezog. So hält das Protokoll
der Vorstandssitzung vom 5. Mai 1951 in Bezug auf Fischer fest: „Wenn der
P.E.N. jedoch aus der Tatsache, daß seinem Vorstand ein Kommunist angehört,
Schwierigkeiten im Inland, wie beim Unterrichtsministerium befürchten sollte,
dann sei er jederzeit bereit, aus dem Vorstand und auch aus dem P.E.N. auszu-
treten, um diese Schwierigkeiten zu beseitigen.“54
Die Grabenkämpfe innerhalb des P.E.N. nahmen mit dem Abzug der Besat-
zungsmächte 1955 noch zu, und der Historiograph des P.E.N. Roman Roček
konstatiert, dass die Politisierung des P.E.N. „mit einem deutlich fühlbaren
Schrumpfen kultureller Vielfalt“55 korrespondierte.
Einen nicht unerheblichen, wenn auch von ideologischen Interessen geleiteten
Beitrag zur Kulturarbeit, die auch die österreichische Literatur betrafen, trugen
bis 1955 die Besatzungsmächte bei.56 Die Bemühungen um kulturellen Einfluss
wurden später immer stärker durch den Kalten Krieg gesteuert. So gab es das
von den Amerikanern geleitete Wiener Kosmos-Theater, das ab 1951 allmonat-
lich einen frei zugänglichen Abend veranstaltete, an dem von prominenten Schau-
spielerinnen und Schauspielern Werke mehr oder weniger junger österreichi-
scher Autorinnen und Autoren vorgelesen wurden.57 Als Gegenoffensive
53 Unter den in Gedenkveranstaltungen geehrten oder eingeladenen österreichischen Schriftstel-
lerinnen und Schriftstellern finden sich u. a. folgende: Raoul Auernheimer, Felix Braun, Käthe
Braun-Prager, Max Brod, Ernst Fischer, Elias Canetti, Oskar Maurus Fontana, Hermann Hakel,
Fritz Hochwälder, Alexander Lernet-Holenia, Ernst Lothar, Annemarie Selinko, Friedrich Tor-
berg, Berthold Viertel, Martina Wied, Anton Wildgans, Stefan Zweig und Frank Gerhard Zwil-
linger. Vgl. Roček: Glanz und Elend des P.E.N., S. 324.
54 Protokoll der P.E.N.-Vorstandssitzung, 5.
Mai 1951, S. 1
ff. Zit. n. Roček: Glanz und Elend des
P.E.N., S. 309.
55 Ebd., S. 386.
56 Vgl. Fritz Peter: Buchstadt und Buchkrise, S. 32
ff.; Vgl. Reinhold Wagnleitner: Coca-Coloni-
sation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Welt-
krieg. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1991 (= Österreichische Texte zur Gesellschaftskri-
tik 52).
57 Vgl. z. B. Welt am Sonntag, Nr. 21, 1951, S. 5.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 57
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437