Page - 62 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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Otto Basils, die von Hans
M. Loew und Franz Kießling herausgegebene „Samm-
lung“ sowie den „Lynkeus“ zählt, der im Auftrag des österreichischen P.E.N.-
Clubs von Hermann Hakel zur Förderung der jungen österreichischen Schrift-
stellerinnen und Schriftstellern herausgegeben wurde.
Von 1945 bis 1948 erschien mit Otto Basils „PLAN“ die wichtigste Literatur-
zeitschrift des literarischen Wiederaufbaus in Österreich. Der Schriftsteller und
Journalist Basil, der gleichzeitig als Kulturredakteur der Tageszeitung „Neues
Österreich“ fungierte, ließ in den Heften des „PLAN“ sowohl die junge Genera-
tion als auch Exilautorinnen und -autoren, u. a. Theodor Kramer und Erich Fried
zu Wort kommen. „An Dienstagen fanden dort erweiterte Sitzungen statt, die
bald zu öffentlichen Diskussionen in der ebendort ansässigen Kunstgalerie Aga-
thon ausgeweitet wurden“.74 Das Heft Nummer sieben erschien als die Sonder-
nummer „Stimme der Jugend“, die von Milo Dor, Hans Heinz Hahnl und Her-
mann Schreiber redigiert wurde. Die Zeitschrift zeichnete sich durch politische
sowie ästhetische Offenheit aus und knüpfte an die literarische Moderne, z. B.
den Surrealismus, an. Auch die Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus
wurden diskutiert, weswegen Kritiker dem „PLAN“ wiederholt seine Nähe zur
KPÖ vorwarfen. Im Erscheinungszeitraum des „PLAN“ entstand eine „mitun-
ter provokant vorgetragene, literarische und kulturpolitische Schule“,75 man
brachte Texte von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die während des Nati-
onalsozialismus verboten waren, die ins Exil oder in die „innere Emigration“
gegangen waren. Auch eine beeindruckende Zahl von Nachwuchsschriftstelle-
rinnen und -schriftstellern, die später als jene gelten sollten, die „die literari-
schen Konturen der Nachkriegszeit“76 geprägt hatten, erfuhren im „PLAN“
erstmalige Publikation.
Dagegen vertrat „Der Turm“, die „Monatsschrift für österreichische Kultur“,
im Zeitraum von 1945 bis 1948 das Organ der „Österreichischen Kulturvereini-
gung“, die unter dem Vorsitz von Hans Pernter, der von 1936 bis 1938 als Unter-
richtsminister im Kabinetts Kurt Schuschniggs und seit 1945 als hoher Beamter
im Unterrichtsministerium sowie Mitbegründer der ÖVP fungierte, eine kon-
servative Blattlinie, die sich in den Beiträgen von Felix Braun, Franz Theodor
Csokor, Alexander Lernet-Holenia, Rudolf Kassner, Paula von Preradović und
Hans Weigel äußerte. „Der Turm“ vertrat Gedanken des „geistigen Kontinuums
74 Alexandra Millner: Von Alpha bis Zirkular. Literarische Runden und Vereine in Wien (1900–
2000). Weitra: Bibliothek der Provinz 2006 (= Enzyklopädie des Wiener Wissens 5), S. 109.
75 Rüdiger Wischenbart: Der literarische Wiederaufbau in Österreich 1945–1949, am Beispiel von
sieben literarischen und kulturpolitischen Zeitschriften. Hain: Koenigstein/Ts. 1983 (= Litera-
tur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur 9), S. 26.
76 Vgl. ebd. Wischenbart nennt u. a. Milo Dor, Hermann Friedl, Hans Heinz Hahnl, Alois Her-
gouth, Friederike Mayröcker, Walter Toman, Ilse Aichinger, Reinhard Federmann und Her-
mann Schreiber.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
62 Der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437