Page - 69 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Image of the Page - 69 -
Text of the Page - 69 -
gisch und konfessionell ungebunden beschrieb, muss auch die Zeitschrift „manu-
skripte“ (ab 1960) genannt werden. Deren Herausgeber Alfred Kolleritsch wur-
de zur Integrationsfigur des literarischen Lebens in Graz und brachte alles, „was
irgendwie den modernen Tendenzen dienlich war“,96 in die „manuskripte“. Kol-
leritsch bemühte sich um österreichische avantgardistische Literatur, u. a. um
die „Wiener Gruppe“, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, H. C. Artmann, Kon-
rad Bayer, Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm. Bis 1972 erschienen die
„manuskripte“ drei Mal, dann vier Mal jährlich, deren Vorteil die Unabhängig-
keit von einem Verlag, der Nachteil jedoch die Abhängigkeit von öffentlichen
Subventionen war. Der Unabhängigkeit des von der Zeitschrift lancierten lite-
rarischen Programms konnten die „geldgebenden kulturpolitischen Instanzen
ohne Schaden in ihrem Ansehen zu nehmen einen energischen Riegel vorschie-
ben“, dennoch mussten sich sowohl das „Forum Stadtpark“ als auch die „manu-
skripte“ „nicht nur gegen plumpe Anfeindungen und Widerstände, sondern auch
gegen subtilere Formen der Regression durchsetzen.“97 Viele der jungen Auto-
rinnen und Autoren, die durch Lesungen und Beiträge in den „manuskripten“
erstmals an die Öffentlichkeit gelangt waren, kamen rasch zu Bekanntheit, und
Kolleritsch stellte in Heft Nummer 19 von 1967 die sogenannte Grazer Gruppe
vor.
Auch der „Steirische Schriftstellerbund“ lud Autorinnen und Autoren zu
Lesungen ein und forcierte Publikationen, organisierte Lesungen unter Beteili-
gung der anderen Bundesländer sowie des Auslands (z. B. trat 1952 Heinrich
Zillich auf). Im 1950 in Graz begründeten „Künstler-Club“ wurde 1953 etwa die
von Hans Weigel herausgegebene Anthologie „Stimmen der Gegenwart“ prä-
sentiert.98
Hubert Fabian Kulterer publizierte die Literaturzeitschrift „Eröffnungen“
(1961–1971), deren erste sechs Nummern in einem Klagenfurter und später in
einem Wiener Verlag erschienen. An diesem „Magazin für Bildende Kunst und
Literatur“ arbeiteten zeitweise Heidi Pataki, Hannes Schneider sowie Konrad
Bayer mit.
Die internationale Monatsschrift „Wort und Tat“ (1946–1948) war Teil der
Kulturarbeit der französischen Besatzung in Tirol, die von Lilly von Sauter und
später von Hermann Schreiber redaktionell betreut wurde, wobei letzter auch
hauptverantwortlich für die Auswahl österreichischer Autorinnen und Autoren
96 Schmidt-Dengler: Bruchlinien, S. 196.
97 Manfred Mixner: Ausbruch aus der Provinz. In: Peter Laemmle, Jörg Drews: Wie die Grazer
auszogen, die Literatur zu erobern. Texte, Porträts, Analysen und Dokumente junger österrei-
chischer Autoren. Erw. u. erg. Ausgabe. München: dtv 1979 (= dtv-Sonderreihe 5465), S. 13–29,
hier S. 17.
98 Vgl. Alfred Holzinger: Große Hoffnungen und langsamer Neubeginn. In: Ders., Grete Scheu-
er: Literatur in der Steiermark von 1945–1976, S. 9-49.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 69
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437