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österreichische Literatur gelegt.144 Es wurden vor allem jene Autorinnen und
Autoren gedruckt, die im Umkreis der „Grazer Gruppe“ ihre literarische Lauf-
bahn begonnen hatten. In der Reihe „Residenz-Prosa“, die diesen Schwerpunkt
eröffnete, wurden im November 1967 Begrüßung des Aufsichtsrates von Peter
Handke sowie der Erzählband Die Belege des Michael Cetus von Andreas Oko-
penko in der ÖGL vorgestellt.145 Auch H. C. Artmanns Die grünverschlossene
Botschaft wurde 1967 präsentiert.
Bis 1975 traten in der ÖGL mit Hans Lebert (Der Feuerkreis, 1971), Alois Brands-
tetter (Überwindung der Blitzangst, 1971), Rudolf Bayr (Momente und Reflexe, 1971),
Barbara Frischmuth (Tage und Jahre, 1971; Rückkehr zum vorläufigen Ausgangspunkt,
1973), Peter Rosei (Landstriche, 1972), H.
C. Artmann (Der aeronautische Sindtbart,
1972), Peter Handke (Wunschloses Unglück, 1972), Alfred Kolleritsch (Der Pfirsichtö-
ter, 1972), Reinhard P. Gruber (Aus dem Leben Hödlmosers, 1973), Gerhard Aman-
shauser (Ärgernisse eines Zauberers, 1973), Andreas Okopenko (Warnung vor Ypsi-
lon, 1974), Franz Innerhofer (Schöne Tage; Schattseite, 1975), Ernst Nowak (Die
Unterkunft, 1975) und Gernot Wolfgruber (Auf freiem Fuß, 1975), regelmäßig jene
Autorinnen und Autoren auf, deren Werke bei Residenz erschienen.
Kraus, der dem Verlag ein publikumswirksames Forum bot und auch Neu-
erscheinungen rezensierte,146 stand diesem aufgeschlossen gegenüber. Das Ver-
hältnis zum Verlagsleiter Schaffler kühlte jedoch später ab, da Schaffler Kraus
für die Einkaufspraxis von Büchern, die er für die „Kulturkontaktstelle“ im
Außenministerium besorgte, in einem Artikel in der Tageszeitung „Presse“ hef-
tig kritisierte (vgl. Kapitel 4.4).
Dieser Überhang hinsichtlich des Residenz-Verlag-Programms lässt sich aus
literaturgeschichtlicher Perspektive auch dadurch kontextualisieren, dass bis in
die 1970er Jahre „das Vorfeld, auf dem die Autoren Möglichkeiten sehen konn-
144 Astrid Graf-Wintersberger, Günther Eisenhuber (Hg.): Von Buch zu Buch. 50 Jahre Residenz
Verlag. St. Pölten, Salzburg: Residenz Verl. 2006, S. 146.
145 Reinhard Urbach hat über die Veranstaltung festgehalten, dass die Präsentation der Bücher
Handkes und Okopenkos „der Auftakt einer intensiveren Förderung der zeitgenössischen Lite-
ratur sein“ sollten und „eine verlegerische Leistung“ darstellen würden, da „Handke in Deutsch-
land editiert [wird] und Okopenko überhaupt nicht“: „Beide Prosabände waren Anlaß genug,
die Autoren zusammen einzuladen, obwohl sie wenig gemeinsam haben. Deshalb stellte Her-
bert Zand auch nicht sie, sondern die Bücher vor. […] Das Publikum nahm die Strapaze eines
überfüllten Saales freudig hin. Es hätten zwei Abende sein müssen, jeder der beiden Autoren
wäre abendfüllend.“ Reinhard Urbach: Lebensläufe und Todesfälle. Handke und Okopenko
lasen in der Gesellschaft für Literatur. In: Kurier, 4. November 1967, S. 9.
146 „Der ehrgeizige, kleine Residenz-Verlag ist seit langem der einzige österreichische Verlag, der
mit einem konsequenten literarischen Programm vor die Öffentlichkeit tritt.“ Vgl. Wolfgang
Kraus: Kräftige und zarte Farben. [Gerhard Amanshauser: Der Deserteur. G.
F. Jonke: Beginn
einer Verzweiflung. Thomas Bernhard: An der Baumgrenze. H.
C. Artmann: Die Anfangsbuch-
staben der Flagge]. In: Main-Post, 3. September 1971.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
120 Die Österreichische Gesellschaft für Literatur (1961–1975)
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437