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Hermann Leber (Hans-Deutsch-Verlag), Willy Lorenz (Verlag Herold), Hans
W.
Polak (Paul-Zsolnay-Verlag), Gerhard Zerling (Stiasny-Verlag) und Gottfried
Berger (Auslieferung, Buchhandel). Die Verleger präsentierten Statistiken und
argumentierten, dass die Situation des österreichischen Verlagswesens keines-
wegs im argen liege, jedoch platzte „nach einer Stunde etwas österreichisch-selbst-
gefälliger Betrachtung [...] dem Diskussionsleiter Dr. Wolfgang Kraus der Kra-
gen“.190 Er betonte, dass der Großteil österreichischer Autorinnen und Autoren
in Deutschland verlegt werde und kritisierte, dass es Österreich nach dem Krieg
nicht gelungen sei, mit den deutschen und Schweizer Verlagen zu konkurrieren,
„kurz, daß es die österreichischen Verlage nicht verstanden hätten, die österrei-
chischen Autoren im Ausland zur Geltung zu bringen.“191
Über die „Geistigen Voraussetzungen einer Literaturstadt“ wurde im Juni 1963
im Rahmen des „Europa Gesprächs“ der Stadt Wien mit einigen Prominenten,
darunter Theodor W. Adorno, Arnold Gehlen, Robert Jungk und Robert Neu-
mann diskutiert. Weitere Teilnehmer waren Csokor und Peter von Tramin. Kraus,
der als Diskussionsleiter gehofft hatte, dass dieses Thema „Anlaß zu einer fried-
licheren Diskussion sein werde, als es die vorangegangenen waren, die sich mit
brennend heißen Eisen beschäftigten“, irrte: „Bald hatten sich die Gemüter […]
ebenso erhitzt, wie die Scheinwerfer des Fernsehens, die die hochsommerliche
Hitze im überfüllten großen Saal des Palais Palffy noch steigerten.“ Der Begriff
„Literaturstadt“ wurde abgelöst durch Adornos „Schlagwort von der Konsumen-
tenstadt“, die sich dadurch auszeichne, dass diese „in erster Linie ein Zentrum
[ist], in dem Literatur konsumiert wird, das heißt […] eine Stadt, in der Bücher
gelesen werden. […] Einmütigkeit herrschte schließlich darüber, daß es heute
einer Organisation bedarf, daß es der Mäzene bedarf, und daß natürlich weder
Organisationsformen noch die Mäzene die Produktion an sich beeinflussen dür-
fen.“ Obwohl die Diskussion keine „Patentlösung“ bot, erwuchsen immerhin
einige Anregungen. Ein Journalist bemerkte resümierend, dass es überaus erfreu-
lich sei zu sehen, dass „Wien vielleicht vom Konsumentenstandpunkt noch keine
Literaturstadt ist, aber das zahlreiche Publikum dieser Diskussion und der vor-
angegangenen zumindest eine Keimzelle dazu sein könnte.“192
Im Rahmen der „Österreichischen Buchwoche“193 1963 fand am 24.
Oktober eine
Diskussion über „Buch und Publikum“ statt, an der u. a. die Journalistin Ilse
190 H. St.: Die Zukunft der Verlage hat schon begonnen. In: Arbeiter-Zeitung, 13.
Februar 1963, S. 4.
191 Ebd.
192 H. St.: Die Produktion von Literaturstädten. In: Arbeiter-Zeitung, 13. Juni 1963, S. 8.
193 Die ÖGL stellte über viele Jahre für den Hauptverband des österreichischen Buchhandels das
Programm der Österreichischen Buchwoche zusammen. Vgl. Hella Bronold an Hans Weigel,
4. November 1974, NL HW, Archivbox 10, Mappe 4.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 133
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437