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ren vorgestellt wurden.217 In Kärnten erwuchs die ab 1969 gemeinsam von ORF
und der Stadt Klagenfurt initiierte „Woche der Begegnung“, aus welcher sich in
den 1970er Jahren der Ingeborg-Bachmann-Preis entwickeln sollte und die mit
einem literarischen Programm aufwartete, das ein größeres Publikum erreichte.
Ab 1971 organisierte Walther Nowotny in Fresach im Drautal die „Internatio-
nalen Schriftstellertage“.218 Nach einer Reihe von „vorbereitenden Gesprächen
und Korrespondenzen sind wir dabei, Autorenlesungen in Städten und Orten
in den Bundesländern zu organisieren“,219 wobei eine Folge von acht bis zehn
Lesungen im Rahmen einer Rundreise geplant war. Den Autoren sollten die Rei-
se- und Hotelkosten ersetzt und ein Honorar von 1.000 Schilling pro Lesung
angeboten werden. Das Projekt sollte zu Anfang des Jahres 1972 beginnen. Wei-
tere Konkurrenz erwuchs der ÖGL ab 1971, als erstmals die Rauriser Literatur-
tage im Pinzgau stattfanden.
Symposien, die von der ÖGL organisiert wurden und sich exklusiv österreichi-
schen Schriftstellerinnen und Schriftstellern widmeten, waren in den 1960er
Jahren noch Mangelware, was vermutlich vor allem an der finanziellen Situation
der Gesellschaft lag. Nur eine Konferenz über den Philosophen Rudolf Kassner
wurde im Mai 1963 veranstaltet. Die sukzessive Planung, Organisation und
Durchführung von Symposien sollte erst mit Kraus’ Tätigkeit in der „Kultur-
kontaktstelle“ im Außenministerium ihren Anfang nehmen (vgl. Kapitel 5.3).
Erwähnt sei darüber hinaus die Etablierung von Erinnerungsorten in Wien,
die kanonisierte Schriftstellerinnen und Schriftsteller im kulturellen Gedächtnis
verankerten. Es wurden Gedenktafeln an Geburtshäuser angebracht, z. B. für
Hermann Broch (26. April 1962), Stefan Zweig (25. Mai 1963), Alfred Adler
(29. Oktober 1970) sowie für Franz Kafka (29. Mai 1964). Weitere Tafeln wur-
den für Heimito von Doderer (20.
September 1967) und George Saiko (12.
Dezem-
ber 1967) an ihren jeweiligen Wohnhäusern angebracht. Anlässlich der Ausga-
be einer Silbergedenkmünze „Franz Grillparzer“ im Mai 1964 wurde eine Lesung
veranstaltet, die unter Anwesenheit des Finanzministers Wolfgang Schmitz statt-
fand.
Wie dargestellt werden konnte, arbeitete die ÖGL aktiv an der Konstituierung
eines österreichischen Literaturbetriebs auf mehreren Ebenen mit, der die Reprä-
217 Hildemar Holl: Literaturgeschichte Salzburg von 1945 bis zur Gegenwart. In: Ernst Hanisch,
Robert Kriechbaumer (Hg.): Salzburg. Zwischen Globalisierung und Goldhaube. Wien, Köln,
Weimar: Böhlau 1997, S. 671–734, insbes. S. 703 f.
218 Amann, Strutz: Das literarische Leben. In: Rumpler (Hg.): Kärnten. Von der deutschen Grenz-
mark zum österreichischen Bundesland, S. 577 ff.
219 Wolfgang Kraus an Hans Weigel, 26. Februar 1972, NL HW, Archivbox 10, Mappe 4.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 141
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437