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ßen helfen“155 könnte. Nach Fritschs Selbstmord 1969 wurde der Plan einer Ger-
hard-Fritsch-Stiftung verfolgt und im Mai in der ÖGL präsentiert. Kraus hatte
in einem Nachruf Fritschs Freitod auch mit den sozioökonomischen Bedingun-
gen des Autors bzw. der Autorin im österreichischen Literaturbetrieb in Zusam-
menhang gebracht: „Es ist symptomatisch für die Lage der Literatur in Österreich,
dass ein Mann von so vielfältigen Aktivitäten wie Gerhard Fritsch nur mit einem
minimalen Monatsertrag rechnen konnte, und zwar aus dem einfachen Grund,
weil die jeweiligen Einkünfte aus diesen Beschäftigungen hier minimal bezahlt
werden.“156
Die Aufgabe der Stiftung sollte es deshalb sein, „österreichische Autoren zu
fördern, die ihre Talente bereits bewiesen haben“ und mittels „langfristige[r]
Arbeitsstipendien zwischen monatlich 5000 und 8000 Schilling“ zu versorgen,
wobei die Mittel „einerseits von den Mitgliedern des Vereines Gerhard-Fritsch-Stif-
tung, aber auch mit Hilfe von Spenden von Firmen, Banken“157 aufgebracht wer-
den sollten. Der Vorstand der Stiftung setzte sich aus Kraus (Präsident), Franz
Hiesel (Vizepräsident), Otto Breicha (Schriftführer) und Hella Bronold (Kas-
sierin) sowie Hans Weigel und Hilde Spiel als Beirat bzw. Beirätin zusammen.
Ordentliche Mitglieder hatte die Stiftung, wie Bronold Weigel erklärt, „nur sehr
wenige“, darunter Elisabeth Schmitz, Ministerialrat Hans Brunmayr, Milo Dor,
Harald Zusanek und „ähnliche Freunde von Fritsch“, und die Mittel sollten
„durch Schnorrbriefe an Gott und die Welt aufgetrieben werden“.158 Bereits am
14. Oktober 1969 fand eine neuerliche Pressekonferenz über „den traurigen
Stand der Gerhard-Fritsch-Stiftung“ statt, was Herbert Nedomansky, den Kul-
turredakteur der „Presse“, zu einer Polemik veranlasste, in der er Kraus „Geschaftl-
huberei“ und die „Geschmacklosigkeit[,] mit einem Toten gute Seelen zu fin-
den“,159 vorwarf. In einem Brief an Nedomansky wies Kraus darauf hin, dass er
selbst „nichts an dieser Stiftung“ verdiene, sondern „dafür nur meine Zeit, außer
der ersten Einlage von S 5.000 aus meiner Tasche“ gebe und bemerkte, dass es
bezüglich der Literaturförderung um „ein zentrales kulturelles Problem und um
Schicksale“160 gehe. Ab 1972 übernahm dann das Unterrichtsministerium die
155 Gerhard Fritsch an Wolfgang Kraus, 14. Juni 1965, Wienbibliothek im Rathaus, Handschrif-
tensammlung, Nachlass Gerhard Fritsch, ZPH 1203, Archivbox 29 [im Folgenden als NL GF
zitiert].
156 Wolfgang Kraus: Zusammengebrochen zwischen zwei Zeiten. In: National-Zeitung, Basel,
28. März 1969.
157 N. N.: Gerhard-Fritsch-Stiftung. In: Arbeiter-Zeitung, 8. Mai 1969, S. 8.
158 Hella Bronold an Hans Weigel, 24. April 1969, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriften-
sammlung, Nachlass Hans Weigel, ZPH 847, Archivbox 10 [im Folgenden als NL HW zitiert].
159 hn [d. i. Herbert Nedomansky]: Schweigen. In: Die Presse, 15. Oktober 1969.
160 Wolfgang Kraus an Herbert Nedomansky, ohne Datum, Wienbibliothek, NL HW, Archivbox
44.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der Literaturkritiker Kraus 233
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437