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Gedenktafel für Kafka, der im Juni 1924 im Sanatorium Kierling verstorben war,
wurde dort von der ÖGL angebracht und Kraus hielt am 11.
April 1978 im Rah-
men der „Gesellschaft für Literaturfreunde“ in Klosterneuburg einen Vortrag
über „Franz Kafka und seine Bedeutung in der Weltliteratur“. Kraus hat sich bei
der Vorbereitung zu diesem Vortrag in seinem Tagebuch notiert: „Wie klar, hart,
realistisch ist Kafka gegenüber dem heutigen Avantgardismus. Ein Klassiker der
Kontinuität des Erzählens. Wer hätte das vor 25 Jahren gedacht!“314
Dieser Vortrag war gleichsam die Initialzündung zur Gründung der Franz-Kaf-
ka-Gesellschaft, ein Proponentenkomitee wurde gebildet und Regierungsrat
Professor Hans Gruber als Obmann bestimmt, dem des Weiteren der Haupt-
schullehrer Norbert Winkler als Generalsekretär und Kraus als Präsident der
Gesellschaft angehörten. Kraus fasste die Aufgabe der neugegründeten Gesell-
schaft wie folgt zusammen: „Es wird nun Aufgabe und Verpflichtung der
Franz-Kafka-Gesellschaft Wien-Klosterneuburg sein, als erste in Europa […]
die Verbindung mit den Kafka-Kennern und -Verehrern in aller Welt aufzuneh-
men und sie als Mitglieder der Gesellschaft zu gewinnen, um so am besten dem
Andenken und dem Werk des großen Dichters Franz Kafka zu dienen.“315
Zwischen 18. und 21. Juni 1979 fand im Augustinersaal des Stiftes Kloster-
neuburg unter der Leitung von Kraus ein Internationales Kafka-Symposium zum
Thema „Kunst und Prophetie“ statt.316 Die Teilnehmer rekrutierten sich aus der
nationalen und internationalen Germanistik, darunter Werner Welzig, Jürgen
Born, Roman Karst, Peter Kampits, Claude David, Claudio Magris, Eduard Gold-
stücker und Hans Mayer. Als Veranstalter fungierten die ÖGL und die Nieder-
österreichische Gesellschaft für Kunst und Kultur. Anlässlich des Symposiums
wurde am 10.
Juli beschlossen, erstmals den von der Stadt Klosterneuburg gestif-
teten Franz-Kafka-Preis in der Höhe von 100.000 Schilling zu verleihen, der
Peter Handke zugesprochen wurde, immerhin dessen erster österreichischer
Literaturpreis. Zu den Statuten des Preises zählte die Voraussetzung, dass „der
Auszuzeichnende aus dem Bereich der einstigen Donaumonarchie stammt und
deutsch schreibt“.317 Die Jury setzte sich hier aus Goldstücker, Karst, Magris und
Kraus zusammen.
Am 10. Oktober 1979 erfolgte die Preisverleihung, bei der Kraus die Lauda-
tio hielt. Handkes Langsame Heimkehr war für Kraus „eine Art Antwort auf Kaf-
314 Ders.: Tagebuch, 9. April 1978, ebd.
315 Hans Gruber: Die erste Franz-Kafka-Gesellschaft wurde in Österreich gegründet. In: Amtsblatt
der Stadtgemeinde Klosterneuburg, 1979, Nr. 6, S. 53 f., hier S. 53.
316 Die Ergebnisse des Symposiums wurden veröffentlicht in Literatur und Kritik 14 (1979), H.
140 und 15 (1980) H. 141. Es erschien auch ein Sonderdruck bei Otto Müller: Kunst und Pro-
phetie. Franz-Kafka-Symposion Juni 1979 in Klosterneuburg. Salzburg: O. Müller 1979.
317 Ebd.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Literatur-Preise 267
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437