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lien gesandt worden waren, damit „ihr Verfasser und ihre Ausgangsstelle fest-
gestellt werden können“, und fordere vom Verfasser dieser Briefe eine Entschul-
digung dafür, dass „er mich verleumdet hat“ sowie eine „formelle Entschuldigung“
an das „Writer’s Committee“ in Adelaide zur „Wiederherstellung meines Rufes“.430
Hinsichtlich des von Kraus ins Feld geführten Misserfolges Kuhners antwortete
dieser: „Meine Arbeiten und Übersetzungen werden international verlegt“ und
forderte nachdrücklich, dass er zukünftig in Österreich in „den Genuß der lite-
rarischen Organisationen mit ihren Förderungsmaßnahmen komme“.431
Kraus musste an seinen guten Ruf jenseits der österreichischen Grenzen den-
ken und versandte eine Richtigstellung an François Bondy, Martin Esslin, Elias
Canetti, Manès Sperber, Eduard Goldstücker, Stephen Hearst, Raymond Aron
und Jakov Lind; da „der Angriff von Herrn Kuhner (Wien) auf mich im Londo-
ner ‚Index‘ Kreise zu ziehen beginnt, habe ich beiliegende Erwiderung dorthin
geschickt. Es ist mir wichtig, daß Sie meinen Text lesen.“432
Kraus geriet unter Druck, da nicht nur österreichische Zeitungen wie „Die
Presse“,433 die „Kärntner Volkszeitung“434 und die „Neue Tiroler Zeitung“435
über den Vorfall zu berichten begannen, sondern auch die slowenische Zeitung
„Novi List“.436 Auch ÖVP-Generalsekretär Erhard Busek, der von Kuhner „bereits
zweimal wegen eines gegen ihn angeblich von Ihnen ausgerufenen Boykotts
angesprochen“437 worden war, verlangte eine Stellungnahme von Kraus. Dieser
antwortete hierauf, dass Kuhner „durch unqualifizierte Beschuldigungen in Wien
bekannt“ sei und er selbst nie etwas zu dessen „Nachteil getan“ habe: „es ist
natürlich billig, wenn man jahrelange literarische Misserfolge einem Sünden-
bock zuschiebt, anstatt sie ganz woanders zu suchen“.438
Schließlich erfuhr Kraus durch den Schriftsteller und Regisseur Adolf Opel,
dass die „Kuhner-Affäre schon wieder eine neue Wendung genommen“ habe,
über die „profil“ einen Bericht vorbereite: „Er glaubt an eine Verschwörung,
dass man ihn für verrückt erklären und auf den Steinhof bringen lassen will.
Er sammelt bereits Berichte über solche Vorfälle in der Sowjet Union, wie man
die Leute mundtot macht und will das Ganze dann wieder an ‚Index‘ schi-
430 Herbert Kuhner: Statement. Beantwortung der Entgegnung von Dr.
Wolfgang Kraus [APA-Mel-
dung, 23. Juni 1976], 23. Juli 1976, ÖGL-Archiv.
431 Ebd.
432 Wolfgang Kraus an Manès Sperber, 21. Juni 1976, NL WK.
433 N. N.: Boykott. In: Die Presse, 31. Mai 1976.
434 N. N.: Boykott gegen Kuhner. In: Kärntner Volkszeitung, 29. Mai 1976.
435 N.
N.: Wolfgang Kraus antwortet auf Herbert Kuhner. In: Neue Tiroler Zeitung, 24.
Juni 1976.
436 Vgl. N. N.: Diskriminacija avstrijsko – ameriškega pisatelja Herberta Kuhnerja. In: Novi List,
24. Juni 1976.
437 Erhard Busek an Wolfgang Kraus, 9. Juni 1976, ÖGL-Archiv.
438 Wolfgang Kraus an Erhard Busek, 18. Juni 1976, ÖGL-Archiv.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
290 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Title
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Author
- Stefan Maurer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 452
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437